„A Tribute to Esther Williams" hatte die Einladung gelautet.

Foto: Rainer Mirau

Die Location: Der Dachswimmingpool der Homes-Place-Filiale nächst der UNO-City.

Foto: Rainer Mirau

Die Schwimmerinnen der Schwimm Union Wien ließen sich von der geringen Besucheranzahl in keinster Weise abschrecken.

Foto: Rainer Mirau

Der Anlass des Events hatte mit Bademode zu tun - allerdings nicht direkt mit jener, welche die Schwimmerinnen trugen.

Foto: Rainer Mirau

Einszwanzig, sagte der Trainer, sei zu seicht. Fast eine Parodie. Normal, sagte der Trainer, sei das Doppelte. Mindestens. Aber hier, im Dachschwimmbad mit Panoramablick, sei ja Show und nicht Wettkampf erwünscht, also mache es nichts, dass das Becken nur einszwanzig tief sei - das mache die eine oder andere Hebefigur vielleicht sogar einfacher. Doch dann seufzte der Trainer: Trotzdem schade, dass das keiner sieht.

„A Tribute to Esther Williams" hatte die Einladung angekündigt. Und schon als ich zusagte, schwante mir, dass die einladende PR-Agentur entweder ahnungslos oder mutig sein müsse. Oder viel Spielgeld hätte: Eine deutsche Agentur, die in Wien zu einem Event abseits der ausgetretenen Locations bittet, ohne Top-Namen anzuführen, begibt sich auf dünnes Eis. Erst recht am Donnerstag - unabhängig davon, wie interessant oder anders das Motto der Veranstaltung.

Dichtes Programm

Der Donnerstag ist (nicht nur in Wien) der begehrteste Event-Tag. Dementsprechend groß ist da die Konkurrenz. Und wer an einem Donnerstagstermin den vorab nach Namen fragenden TV-Teams und Fotografen auch nur die B-Liga der Wiener Vipperln nennen will, muss etwas zu bieten haben - oder als „Eventer" etwas gelten: Wer will schon von der A-Liste fliegen, weil er der Freundschaftsdienst-Bitte einer Agentur nicht nachkam?

Aber „A Tribute to Esther Williams"? In Transdanubien? Ohne Lugner-ExMiss-Golpashin-Walleck-Rafreider-und-Konsorten im Begleittext? Ohne Martina Kaiser oder anderem promifototauglichen Partykopf als DJane? Ganz schlechtes Event-Karma! Erst recht am Donnerstag - und: Ja, auch wenn es um Damen-Bademode geht. Denn das Label „Anita" kennen Lifestyle- und Promi-Redakteure nicht. Und ohne Promi- oder sonstige Garantie schickt in Wien niemand heute auch nur einen Praktikanten. Nicht, wenn es Alternativen gibt. Die gibt es immer. Erst recht am Donnerstag.

Also stand ich Donnerstagabend ziemlich alleine am Pool der Homes-Place-Filiale nächst der UNO-City, schaute am Harry-Seidler-Turm über die Reichsbrücke auf das aus dieser Perspektive selten zu genießende City-Panorama, nippte und knabberte - und ließ mich vom Trainer der Mädchen in die Welt des Synchronschwimmens einführen: Außer mir hatten vielleicht 20 Gäste den Weg zur Synchronschwimm-Bademodenschau gefunden. Den Veranstaltern war der Frust ins Gesicht geschrieben - aber die Schwimmerinnen der Schwimm Union Wien ließen sich nichts anmerken und planschten, dass mir beim Zuschauen die Luft weg blieb.

Al Bundy irrt

Bis zu 40 Sekunden, sagte der Trainer, blieben die Damen unter Wasser. Aber keineswegs unbewegt. Das solle ihnen mal einer nachmachen. Und dann, beim Auftauchen, statt eine Hebefigur zu zeigen, bloß den legendären Al-Bundy-Satz („Synchronschwimmen ist kein Sport") aussprechen, ohne vorher zweimal Luft geholt zu haben. Wir lachten. Ich staunte. So wie die beiden Mitarbeiterinnen einer steirischen Therme neben mir. Und so wie Herr Gruber.

Herr Gruber vertreibt die Badeanzüge der Gastgeber in Österreich. Dass ich das Label nicht kannte, verzieh er: Ich sei aufgrund meines Hinguckverhaltens nicht Zielgruppe. Denn, so sagte er sinngemäß, im Alltag würden in einen Gastgeberbadeanzug zwei, wenn nicht drei oder mehr Synchronschwimmerinnen passen. Oberweitentechnisch. Man sei spezialisiert auf Übergrößen. Auf große Frauen. Körbchengröße I - und beyond. Aber auch auf Still-Unterwäsche und BHs für Frauen nach krebsbedingter Brustabnahme. Nix, womit man im Easy-Cheesy-Ressort Furore mache. Aber dass der Versuch des deutschen Mutterkonzerns, einen PR-Fuß im Lifestyle-Land auf den Boden zu bekommen, dermaßen ins Wasser falle, tue ihm leid. Schon wegen der Synchronschwimmerinnen.

Wien ist anders

Wien, erklärte mir eine aus Hamburg eingeflogene Agenturmitarbeiterin dann fast dramatisch unverblümt, sei eben anders. Anders als Hamburg oder München. Dort hätten nämlich eingeladene Journalisten zumindest gefragt, was das für ein Event sei - und dann zu- oder abgesagt. Und die, die zugesagt hätten, wären auch gekommen. Die Wiener Methode, zuzusagen (die Liste der akkreditieren Medienleute war lang) und dann nicht aufzutauchen, sei in Deutschland unüblich. Um es dezent zu formulieren.

Sicher: Der Donnerstag sei auch in Deutschland aufgrund von Produktionszyklen und Sehgewohnheiten der attraktivste Tag: Auch in Hamburg oder München habe man den Synchronschwimm-Event an Donnerstagen platziert - und dann sowohl Gäste als auch Presse gehabt. Dass Wien dermaßen klüngelig und nicht-neugierig sei, aus Prinzip unter sich bliebe und schon den Weg zur UNO-City als Zumutung empfände, hätte wirklich niemand erwartet.

Bezahlte Gäste

Naja, heuchelte ich Solidarität mit den heimischen Kollegen, das sei zwar schön, gut und nachvollziehbar - aber ohne Köpfe täten sich echte Adabei-Formate halt schwer. Ein paar Synchronschwimm-Staatsmeisterinnen wären einfach nicht genug. Da seufzte die hanseatische Agenturdame: Was Promis angehe, wisse ich doch wohl so gut wie sie, dass die längst nur für Geld zu Events kämen.

Ich tat verdutzt: Nein wirklich? In Deutschland sei es schon so weit gekommen? Wieso spräche das denn niemand offen aus? Für Österreich, bluffte ich, könne ich mir das gar nicht vorstellen. Das sei schlicht undenkbar. Die Agenturdame war auch kein Newbie. Ihr mitleidig-trauriger Augenaufschlag gratulierte mir zu meiner Naivität. Dann verdrehte sie die Augen, zeigte auf das leere Schwimmbad und murmelte nur ein Wort: Genau. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 7.11.2010)