Das HTC Desire HD ist leistungstark und vielseitig, weist jedoch einige Schwächen auf.

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Das Desire HD verfügt mit seinem 4,3 Zol großen Screen über einen der größten Displays am Markt. Die Auflösung von 800 x 480 Pixel entspricht jedoch der des Vorgänger-Modells mit 3,7-Zoll-Display.

Foto: Birgit Riegler

Desire HD (links) und Desire im Vergleich

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Mit dem Aluminium-Unibody ist das Desire HD sehr stabil. Das Gehäuse weist jedoch einige Design-Schwächen auf. Die untere Abdeckung kann viel zu leicht entfernt werden ...

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... das Kameragehäuse ragt zu weit aus der Rückseite hervor.

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Das Desire HD ist das erste 4,3-Zoll-Smartphone von HTC mit Android, das in Europa nun am Markt erhältlich ist. Mit dem riesigen LCD-Touchscreen und weitere Multimedia-Features ist das neue Desire-Modell ganz auf mobile Unterhaltung ausgerichtet. Ob es damit reüssieren kann, zeigt der WebStandard-Test.

Ausstattung

Vorweg die wichtigsten Ausstattungsmerkmale: Im Inneren des Android-Smartphones arbeiten ein 1 GHz-Prozessor und 768 MB Arbeitsspeicher. Der interne Speicher von 1,5 GB wird wie gewohnt durch eine microSD-Karte erweitert. Das Gerät verfügt mit einem 3,5-mm-Kopfhöreranschluss und einem micro-USB-Port über die üblichen Anschlussmöglichkeiten. Eine HDMI-Schnittstelle gibt es trotz des Fokus auf Multimedia nicht. Dank DLNA-Unterstützung können Musik, Fotos und Videos auf einen Fernseher übertragen werden. Für Aufnahmen hat HTC eine 8-Megapixel-Kamera mit Dual-LED-Blitzlich integriert. Im Internet kann man über HSPA, GPRS, EDGE oder WLAN IEEE 802.11 b/g/n surfen. Zum Datentausch steht auch Bluetooth 2.1 mit A2DP-Support für kabellose Headsets zur Verfügung. Wie von dieser Geräteklasse nicht anders zu erwarten sind auch GPS, ein digitaler Kompass, Annäherungs-, Umgebungslicht- und G-Sensor vorhanden.

Display-Riese

Das Display ist mit 4,3 Zoll eines der größten am Markt, die Auflösung von 480 x 800 Pixel entspricht der anderer Smartphones mit diesen Bildschirm-Diagonalen. An die Auflösung des iPhone 4, das bei einem 3,5-Zoll-Screen 960 x 650 Pixel darstellt reicht sie nicht heran. Zudem entspricht die Auflösung jener des Vorgängers Desire, der jedoch mit einem 3,7 Zoll großen Bildschirm ausgestattet war. Das gesagt, ist das Display des Desire HD scharf und kontrastreich. Im Gegensatz zu Amoled-Screens wirkt das LCD des Geräts jedoch deutlich blasser. Amoled-Displays sind zwar bekannt dafür Farben nicht naturgetreu wiederzugeben, doch wirken Fotos auf diesen Displays einfach strahlender und intensiver. Da die gesamte Frontseite vom Display-Glas eingenommen wird, fällt die spiegelnde Oberfläche zudem deutlicher auf als bei anderen Modellen.

Bessere Kamera

Die Kamera ist HTC nun endlich besser gelungen. Bislang hinkte das Unternehmen hier der Konkurrenz hinterher. Die 8-Megapixel-Digicam verfügt über Autofokus und Gesichtserkennung. Die Fotos sind keine Offenbarung, übertreffen jedoch die des ersten Desire-Modells. Dank des Dual-LED-Blitzes gelingen auch bei Nacht Fotos mit leuchtenden Farben, das Bildrauschen erhöht sich in dunklen Umgebungen dennoch merkbar. Mit schlechten Lichtverhältnissen kommt die integrierte Digicam wie die meisten ihrer Mitstreiter nicht optimal zurecht. Dem Autofokus muss man zudem etwas Zeit geben, bis er ein Objekt scharf gestellt hat. HTC hat der Kamera verschiedene Effekte wie Schärfentiefe, Verzerrung, Solarisation usw. spendiert. Die Effekte werden live am Display angezeigt. Videos können in HD-Qualität aufgenommen werden. Da HTC das Desire HD nicht mit einer dezidierten Foto-Auslöse-Taste ausgestattet hat, sind Selbstportraits so gut wie unmöglich - die richtige Stelle des Auslösers am Touchscreen blind zu finden gleicht einem Glücksspiel.

Tolle Performance

Der 1 GHz Snapdragon-Prozessor QSD8255 und der 768 MB starke Arbeitsspeicher lassen das Desire HD flüssig laufen und haben im Test keine Schwächen gezeigt. Der Verzerrungs-Effekt bei der Kamera etwa oder die Aufnahme von HD-Videos funktionieren reibungslos. Apps starten schnell, der Wechsel zwischen den Homescreens ist ebenfalls flüssig und einwandfrei. Bei der Präsentation warb HTC-Chef Peter Chou mit dem Fast Boot-Feature des Geräts. Dadurch soll es innerhalb weniger Sekunden einsatzbereit sein. Das konnte auch im Test nachvollzogen werden. Das Gerät ist teilweise sogar in unter zehn Sekunden wieder einsatzbereit. Allerdings wird das Gerät nicht zur Gänze ausgeschaltet, sondern nur in einen Suspend-Modus versetzt. Daurch wird weiterhin Strom verbraucht, wenn auch nur gering. Entfernt man etwa den Akku und setzt ihn erneut ein, dauert der Startprozess länger.

Schwächelnder Akku

Überraschend ist HTCs Entscheidung bezüglich des Akkus. Die Batterie besitzt eine Kapazität von 1230 mAh und ist damit schwächer als viele Akkus anderer Modelle dieser Geräteklasse. Das hat einen gravierenden Einfluss auf die Laufzeit. Anstatt die Nutzungsdauer leistungsstarker Smartphone endlich über einen bis eineinhalb Tagen auszudehnen, markiert das Desire HD hier schon fast einen Rückschritt. Eine Nutzungsdauer von einem Tag und mehr kann zwar bei bescheidener Nutzung erreicht werden, doch schon bei etwas intensiverem Einsatz schmilzt die Statusanzeige dahin. Die meiste Energie zapfen Display, WLAN und GPS ab. Wer unterwegs Videos schauen, ab und zu den Standort anzeigen, etwas Surfen und sich die Zeit vielleicht mit einem Game vertreiben will, sollte das Haus nicht ohne Ladekabel verlassen. Auch sollte man auf automatische oder häufige Synchronisierung verzichten.

Design

Ein Urteil über das Design eines Geräts zu fällen unterliegt immer dem persönlichen Geschmack des Testers. HTC baut solide, gut verarbeitete Smartphones, hat jedoch abgesehen vom Legend keine großen Würfe produziert. Das Desire HD verfügt über einen Aluminium-Unibody, der dem Gerät hohe Stabilität verleiht. Das Design bleibt allerdings einfallslos. SIM- und Speicherkarten sind unter einer kleinen Kunststoffabdeckung am unteren Ende des Geräts verborgen. Diese ließ sich im Test leider etwas zu einfach entfernen und schließt mit dem Gehäuse nicht genau ab. Zwar kam es nie dazu, dass sie unbeabsichtigt abging, doch wird man dieses Gefühl nicht los, sie irgendwann doch versehentlich abzuschieben. Der Akku wird über einen Einschub auf der rechten Seite des Geräts eingelegt. Die Rückseite des Desire HD ist leicht gebogen und fühlt sich samtig und angenehm in der Hand an. Etwas Sorgen bereitet hier jedoch auch das weit hervorragende Kameragehäuse. Dadurch liegt das Gerät nie ganz flach auf.

Störende Gehäuse-Details

Wie bereits erwähnt nimmt die Glasoberfläche die gesamte Vorderseite des Geräts ein. Für Home, Menü, Zurück und Suche sind vier Soft-Touch-Buttons direkt unter dem Display integriert. Im Test kam es hier öfter dazu, dass diese Tasten versehentlich berührt und unerwünschte Aktionen ausgeführt wurden. Die Lautstärke wird über eine Taste an der Gehäuseseite geregelt. Darüber hinaus verfügt das Smartphone nur über eine weitere physische Taste - zum Ein- und Ausschalten. Störend ist, dass das Aluminium-Gehäuse leicht über das Display hervorsteht. Bei Touch-Eingaben am Display-Rand kratzt man mit den Fingern immer über diese Kante. Die Position des Kopfhöreranschlusses an der Unterseite ist auch suboptimal.

Zu groß?

Durch das große Display gehört das Desire HD zu den Smartphone-Giganten, HTC hat sich jedoch bemüht die Gehäuse-Dimension dennoch schlank zu halten. Das Gerät misst 123 x 68 x 11,8 mm. Mit 164 Gramm ist es für diese Größe auch nicht allzu schwer. Zur Größe ist grundsätzlich zu sagen, dass wohl einige Nutzer Schwierigkeiten damit haben werden, das Gerät mit einer Hand zu bedienen. Auch das Tippen auf der an sich komfortabel großen On-Screen-Tastatur wird durch erschwert, da man das Gerät umständlich halten muss, um mit beiden Daumen tippen zu können.

Android 2.2 mit mehr Sense

Als Betriebssystem kommt Android 2.2 zum Einsatz, dem HTC seine aktuellste Version von Sense aufgesetzt hat. Dabei handelt es sich um die Kombination aus einer bis zu einem gewissen Grad personalisierbaren Benutzeroberfläche, einem Paket aus Apps und Widgets und dem neuen Online-Dienst HTCSense.com. Leider sind auf dem Gerät (im Test eine offene Version) viele Apps vorinstalliert, die nicht vom Nutzer ohne Weiteres entfernt werden können. So befinden sich etwa Amazon MP3, die Lite-Version von SoundHound, QuickOffice und mehrere HTC-eigene Apps darauf.

Einfacher personalisierbar

Auch an der Oberfläche hat HTC wieder etwas geschraubt. So finden sich in der Benachrichtungsleiste nun die Icons der zuletzt genutzten Apps und Einstellungen, was einen Wechsel oder eine schnelle Rückkehr zu Konfigurationsmöglichkeiten erleichtert. Der Launcher verfügt über drei Buttons für App-Menü, Telefonfunktion und einen Shortcut für Personalisierungs-Funktionen. Letztere sind neu und bieten einen Überblick über sämtliche Funktionen, mit denen die Nutzer ihr Smartphone an ihre Bedürfnisse anpassen können. Das umfasst Möglichkeiten, die Anzeige u.a. mit Skins und Wallpapers zu personalisieren, Elemente (Apps, Widgets, Odner und Verknüpfungen) zu den Homescreens hinzufügen sowie die Töne zu personalisieren. HTC hat fünf verschiedene Oberflächen bzw. Skins vorinstalliert, mit denen sich auch das Aussehen des Launchers verändert lässt. Weitere Skins, Klingeltöne, Wallpapers, Widgets usw. können über den HTC Hub heruntergeladen werden, der über eine vorinstallierte App erreichbar ist.

E-Book-Reader

Zu den neuen Apps von HTC gehören Leser und Locations. Der E-Book-Reader kommt mit einem Widget, das Zugriff auf alle E-Books gibt. Die Lesefunktion ist in Ordnung und bietet Funktionen zum Markieren, für Notizen und zum Suchen in einem Text. Nutzer können Lesezeichen setzen und zwischen Seiten und Kapitel schnell über übersichtliches Menü wechseln, das sich durch Antippen der Seite öffnet. Passagen können zwar markiert aber nicht kopiert werden. Copy-and-Paste ist aus dem E-Book-Reader heraus nicht möglich. Neuer Leserstoff kann über den E-Book-Store von Kobo gekauft werden.

Locations

Mit der Apps Locations hat HTC einen Routenplaner integriert, der Google Navigation Konkurrenz machen soll. Das Kartenmaterial wird von Route 66 zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zu Google Maps wird das Kartenmaterial bei Locations vorgeladen, sodass man auch bei schlechter oder gar keiner Internetverbindung eine Karte anzeigen lassen kann. Die Navigationsfunktion kann aber nur bei Internetverbindung genutzt werden. Die angepriesenen "Locations", interessante und wichtige Punkte der Umgebung wie Einkaufsmöglichkeiten, Apotheken oder Banken wurden im Test leider nicht angezeigt. Auf der Karte wurden zwar Points-of-Interest samt Adresse dargestellt, doch in den Kategorien dazu wurden sie nicht aufgelistet.

HTCSense.com mit Startschwierigkeiten

Der neue Online-Dienst HTCSense.com soll Nutzern von HTC-Smartphones ähnliche Features bieten wie etwa Apple mit MobileMe. Der Service steht vorerst nur für das Desire HD und Desire Z zur Verfügung. Um ihn nutzen zu können, muss man ein Konto auf der Website anlegen und sich dann unter Konten & Synchronisierung am Smartphone anmelden. Das Gerät, die Telefonnummer und der Online-Service werden dann miteinander verbunden. Über HTCSense.com können SMS und Kontakte synchronisiert werden, es stehen weitere Inhalte des bereits erwähnten HTC Hubs zum Download bereit und das Smartphone kann bei Verlust geortet und bei Bedarf aus der Ferne gelöscht werden. Im Test funktionierte die Synchronisierung jedoch nicht. Bei der Synchronisierung des Kontos auf dem Gerät wurde nie eine Fehlermeldung angezeigt. Dennoch konnten weder Kontakte, noch SMS oder der Standort des Geräts über den Web-Dienst angezeigt werden. In diversen Foren berichteten zahlreiche Nutzer von ähnlichen Problemen. Während einige User ihre Geräte offenbar problemlos mit dem Web-Dienst abgleichen konnten, funktionierte bei anderen ebenfalls gar nichts.

Fazit

Das HTC Desire HD hinterlässt gemischte Gefühle. Einerseits ist es ein sehr leistungsstarkes Smartphone, das mit schneller Hardware und Android 2.2 Froyo eine State-of-the-Art-Ausstattung bietet. Das Display ist nicht das beste am Markt, erledigt seine Aufgaben jedoch zufriedenstellend. Kopfzerbrechen bereiten der schwache Akku und die Design-Schwächen beim Gehäuse. Für einige Nutzer wird das 4,3 Zoll große Display wohl etwas zu groß sein. Für Nutzer mit sehr großen Händen könnte es wiederum die idealen Dimensionen aufweisen. Die Kinderkrankheiten von HTCSense.com sind ärgerlich, hier wird das Unternehmen deutlich nachbessern müssen, soll der Service eine weitere Verbreitung finden. Das Desire HD ist ab 570 Euro erhältlich. (Birgit Riegler/derStandard.at, 9. November 2010)

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