Will Landeslehrer an den Bund abgeben: Kärntens Landeshauptmann Dörfler sieht da eine klare Bundeskompetenz.

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Standard: Das Sparpaket der Regierung stößt auf heftige Kritik. Bei Ihnen auch?

Dörfler: Das ist für mich eine Art Betrugsversuch. Erst hat man Wahlen abgewartet, dann hat die SPÖ gesagt, man muss die Banken und die Reichen besteuern, die ÖVP hat gemeint, sie will keine neue Steuern. In Wahrheit hat man die Menschen belogen und in Loipersdorf ein Saunapaket geschnürt, das extreme Härten nach sich zieht, die einer Regierung einfach nicht passieren dürfen.

Standard: Sie beziehen sich auf die Kürzungen im Familienpaket?

Dörfler: Ja zum Beispiel der Mehrkindzuschlag, der mit der gestrichenen Familienbeihilfe wegfällt: Gerade der Mehrkindzuschlag sollte erhöht werden. Wir haben eine bedenkliche demografische Entwicklung in Österreich. Wir sollten uns eigentlich bemühen, die Rahmenbedingungen für die Familien zu verbessern und jetzt ist gerade das Gegenteil der Fall. Unfassbar: Das ist ja wohl der Gipfel der Fehlentscheidungen.

Standard: Die Regierung meint, den Studierenden wäre der Verlust der Familienbeihilfe ab dem 24. Lebensjahr zumutbar.

Dörfler: Das zeigt ja, wie gelähmt die rot-schwarze Koalition ist. Erst werden die Studiengebühren überfallsartig beseitigt, jetzt kommt der Verlust der Familienbeihilfe für die Studierenden wesentlich teurer als es die Studiengebühr wäre. Ich bin für die Studiengebühr. Mit sozialer Abfederung wäre das eine wesentlich fairere Lösung als die jetzige, wo eh schon wieder Ausnahmen diskutiert werden. Das zeigt, dass diese Regierung sich überhaupt nicht mit Grundfragen der Fairness auseinandersetzt.

Standard: Haben Faymann und Pröll beim Sparpaket gepfuscht?

Dörfler: Das ist noch schlimmer als Pfusch, das ist das schlimmste Täuschungsmanöver, das es in der 2. Republik je gegeben hat. DieseRegierung bringt ja nicht einmal ein verfassungskonformes Budget zustande. Vor den Wahlen wurde Wein versprochen, jetzt gibt es einen sauren, ungenießbaren Most.

Standard: Das Bundesbudget mußte aber dringend saniert werden. Da hat doch auch die Kärntner Hypo dazu beigetragen, die ja notverstaatlicht wurde?

Dörfler: Es gibt überhaupt keine bundesweiten Reformansätze. Auch wir in Kärnten mussten drastische Einschnitte setzen. Wir haben jetzt die Pensionsreform bei den Beamten umgesetzt, wir haben 120 Stellen im Landesdienst nicht nachbesetzt, wir werden bis 2014 jedenfalls zehn Prozent weniger Beamte haben. Wir machen aus 20 Abteilungen zehn. Wir reformieren in Kärnten tatsächlich.

Standard: Es fehlt eine große bundesweite Struktur- und Verwaltungsreform?

Dörfler: Genau. Aber nicht so, wie es sich der Pröll vorstellt, der frustrierte Niederösterreicher Erwin, der vom Macher zum Tschentscher (kärntnerisch für "raunzen", Anm. d. Red.) wird, beispielsweise bei der Bildungspolitik, der Übertragung der Landeslehrer in die Bundeskompetenz. Das ist eindeutig Bundesaufgabe. Ganz wichtig wäre auch die Zusammenlegung der Krankenkassen. Und der Moloch ÖBB muss eingedämmt werden.

Standard: Gesundheitsminister Stöger will ein bundeseinheitliches Krankenanstaltengesetz ...

Dörfler: Das wäre eine gewaltige Kostenersparnis. Ich stehe dieser Diskussion grundsätzlich offen gegenüber. Aber zuerst müssen die Krankenkassen zusammengelegt werden. Da hat Stöger wohl nach Kärnten geblickt. Wir haben mit unserem neuen Kabeg-(Krankenanstaltenbetriebs-)Gesetz ein gutes neues Steuerungselement und eine klare Konzernstruktur bei unseren Spitälern geschaffen. Jetzt können wir eine strukturierte Gesundheitspolitik machen.

Standard: In Kärnten läuft die Spitalsfinanzierung ja gänzlich aus dem Ruder. Kärntens Spitalsbedienstete verdienen österreichweit am meisten. Da droht doch ein zweites Desaster wie bei der Hypo.

Dörfler: Da sehe ich wirklich rot. Diejenigen, die heute die Kärntner Finanzen beklagen, waren jahrzehntelang dafür verantwortlich. Gerade im Spitalsberich hat es immer rote Referenten gegeben. Die waren die grossen Sünder - auch beim K-Schema bei den Spitalsbediensteten. Aber eines ist klar: Auch da brauchen wir eine Vereinheitlichung. Es ist ja nicht einzusehen, dass ein Primar oder ein Pfleger in einem Bundesland mehr oder weniger verdient als in einem anderen. Da sollen die einen was abgeben und die anderen was dazu bekommen.

Standard: Kritiker sagen, der Koralm-Tunnel, den nur Kärnten und Steiermark wollen, wäre Geldverschwendung, das Geld solle man in Familien und Pflege stecken.

Dörfler: Faktum ist, dass diese Kritisanten nicht in der Lage sind, über den Semmering hinaus zu denken. Kanzler Werner Faymann hat da gegen alle Querschüsse Flagge gezeigt und begriffen: Das ist ein europäisches Projekt. Es ist schon erstaunlich, dass man den Sankt-Gotthard-Tunnel in der Schweiz abgefeiert hat, als wäre er ein österreichischer Tunnel und gleichzeitig sagt man, wir brauchen keinen Koralm-, keinen Brenner- und keinen Semmeringtunnel. Das ist die typisch österreichische Kleinkariertheit. Die Adria-Häfen Koper, Rijeka, Ravenna, Triest und Venedig werden über drei Milliarden Euro aufbauend auf diese adriatisch-baltische Verkehrsachse investieren. Das bringt auch Standortqualität für Österreich und Arbeitsplätze. Auch das ist Familienpolitik.

Standard: Mit Einmalleistungen wie dem Jugendtausender und dem Teuerungsausgleich signalisiert Kärnten, das die höchste Verschuldung aller Zeiten aufweist, aber nicht gerade Spargesinnung?

Dörfler: Kärnten hat aber wirklich ein sehr konsequentes Sparprogramm. Ich allein habe als Landeshauptmann in meinen Ressorts 28 Millionen Euro, minus 12,5 Prozent, eingespart. Ich weigere mich aber, den sozial Schwächsten eine Sozialleistung wie den Teuerungsausgleich zu nehmen. Beim Teuerungsausgleich geht es um 2 Millionen Euro und rund 19.000 Förderfälle. Wenn man das Geld für die Ärmsten in der Gesellschaft nicht mehr haben will, dann hat man keine soziale Kompetenz. Mir geht es mit diesem Hunderter um Respekt, Würde und Wertschätzung der Menschen. Ich mache das nicht wie die Bundesregierung, die einfach den Mehrkindzuschlag streicht.

Standard: Und der Jugendtausender?

Dörfler: Ist jetzt ein Neunhunderter. Das ist ja keine Geldverteilaktion für Diskobesuche. Da geht es um Bildung oder um den Führerschein. Wir haben wirklich gespart im Land, aber wir tun das nicht bei den Sozialleistungen.

Standard: Wann wird es in der Kärntner Volksgruppenpolitik so etwas geben wie das Wunder von Piran? Das slowenische Adria-Städtchen hat jetzt einen gebürtigen Afrikaner als Bürgermeister.

Dörfler: Ich habe dem Peter Bossmann schon gratuliert und werde ihn im kommenden Frühjahr besuchen. Auch bei uns gibt es viele alltägliche Wunder. Es gibt die zweisprachigen privaten Kindergärten, es gibt die positive Entwicklung der slowenische Sprache im Schulsystem ...

Standard: Wann wird die nächste zweisprachige Ortstafel aufgestellt?

Dörfler: Ich gehe davon aus, dass die Ortstafel-Frage bis 2012 klug gelöst ist. Es war gut, dass der Kanzler und der Bundespräsident bei den 10. Oktoberfeiern in Kärnten waren und signalisiert haben, dass wir in dieser Frage unaufgeregt miteinander reden. Es wird sicher nach dem Budget-Wirrwarr die nächsten Ortstafel-Gespräche geben. Vermutlich noch heuer. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2010)