Stolz präsentiert Andy Howard seine Goldmedaille von den Deaflympics 2007 in Salt Lake City.

Foto: Andrew Howard

Von medialer Aufmerksamkeit weitestgehend befreit schnürt seit Saisonbeginn ein 29jähriger US-Amerikaner für den Vorarlberger Landesligisten EHC Montafon die Eisschuhe. Sein Name ist Andy Howard, seine Geschichte eine eindrucksvolle.

„Die Welt ist schön..."
Keine 4.000 Einwohner zählt die im Vorarlberger Montafon gelegene Marktgemeinde Schruns, ein ruhiges, verträumtes Örtchen, das sich umgeben von massiven Gebirgen dem Tourismus verschrieben hat. Seinen wohl berühmtesten Gast beherbergte Schruns in den 1920er-Jahren, als der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway hier zwei Winter verbrachte, woran heute eine Büste des Autors im Ortszentrum erinnert. Das wohl bekannteste ihm zugeschriebene Zitat „Die Welt ist ein schöner Platz und wert, dass man um sie kämpft" könnte die Kurzfassung der Biographie eines anderen aus dem Mittleren Westen der USA stammenden Menschen sein, der sich heuer für einen Winter in Schruns niedergelassen hat. Andy Howard spielt für den Landesligisten EHC Montafon Eishockey - und alleine der Umstand, dass er diesen Sport noch betreiben kann, entspricht einem lange und hart erkämpften Erfolg. Der 29jährige ist nämlich taub und sieht sich daher am Eis mit für Hörende schwer vorstellbaren Herausforderungen konfrontiert.

Der Ellbogencheck, der alles veränderte
Schon bei seiner Geburt im Jahr 1981 diagnostizieren Ärzte Andy Howard eine Hörschädigung von mittlerem Grad. Diese erschwert ihm in seiner in Dearborn, Michigan, verbrachten Kindheit das Erlernen der Sprachfähigkeit, ein Problem, das er mit Therapien über fünf Jahre hinweg bewältigen kann.
Von Kindesbeinen an ist das Eishockey Howards große Leidenschaft, schon im Alter von vier Jahren jagt er dem Puck nach, repräsentiert später verschiedene Juniorenteams in den USA und Kanada und wechselt schließlich mit 22 ans St. Clair College von Windsor, Ontario - nur gute 15 Kilometer von seinem Heimatort entfernt. Mit 27 Punkten in 26 Spielen überzeugt er in seiner Rookie-Saison, sein zweites Jahr im Trikot der „Saints" wird jedoch zu einem schicksalhaften: In einem Meisterschaftsspiel kassiert Howard einen Ellbogencheck, der ihn unvorbereitet trifft und sein Kiefer ebenso zertrümmert wie seine Augenhöhle. Knapp vier Monate lang werden seine Gesichtsknochen verdrahtet und fixiert, doch die Heilungsfortschritte, von denen ihm die Ärzte erzählen, kann der damals 24jährige plötzlich nicht mehr hören. Bis heute ist unklar, ob der Check selbst oder die folgende Kieferoperation Howard die Fähigkeit zu hören nahm.

Olympiagold
Im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Schlag veränderte sich das Leben von Andy Howard. Mehr als ein Jahr lang verhindern die Nachwirkungen der ebenfalls beim Check erlittenen Gehirnerschütterung seine Rückkehr aufs Eis. Doch er kämpft für seine große Leidenschaft und schafft schließlich den Sprung zurück ins Collegehockey, diesmal das amerikanische. Seine Krönung erfährt Howards eindrucksvolles Comeback im Jahr 2007, als er in das US-Team für die Olympischen Spiele der Gehörlosen nominiert wird und mit diesem schließlich auch die Goldmedaille holt. „Zwei Jahre später wurde ich bei der Gehörlosen-WM zum besten Spieler des Turniers gewählt, aber Eishockey ist ein Mannschaftssport, also ist das Deaflympics-Gold von Salt Lake City ohne Zweifel mein größter bisheriger Erfolg", erinnert sich Howard.

Von Michigan ins Montafon
Auch abseits des Rinks bewältigt der heute 29jährige sein Leben mit Bravour. Er hat sein Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen und plant für die Zeit nach seinem Karriereende die Eröffnung eines Eishockey-Trainigszentrums in seiner Heimat. Zuvor möchte er jedoch noch einige Jahre selbst spielen, vorerst in der Vorarlberger Landesliga: „Ich versuchte schon einige Jahre lang, einen Verein in Europa zu finden, doch das gestaltete sich recht schwierig, da viele Klubs kein Interesse an einem gehörlosen Spieler haben. Über einen ehemaligen Mitspieler - er ist Schweizer - bin ich mit Montafon in Kontakt gekommen. Wir konnten uns rasch über die Rahmenbedingungen einigen und ich bin hier herzlich aufgenommen worden. Mir gefällt es prima in dieser Gegend, aber sportlich strebe ich durchaus noch nach höheren Aufgaben und Levels."

Sieben Scorerpunkte in seinen ersten beiden Spielen dokumentieren, dass die Landesliga wohl nicht das Ende der Fahnenstange für Howards Europakarriere sein wird. Auf einem höherklassigen Niveau kann er sich schon im Feber beweisen, dann steigen in Vysoké Tatry (Slowakei) die Deaflympics 2011, bei denen er und seine US-Kollegen ihre Goldmedaille von 2007 verteidigen wollen.

Optimismus
Andy Howards Augen leuchten, wenn er von den Gelegenheiten, sein Heimatland am Eis zu repräsentieren, spricht. Sie sind der Lohn für die harte Arbeit, die hinter ihm liegt, und für den Kampf, den er nach seinem Unfall angenommen hat. In seinen Worten schwingt der große Optimismus eines Mannes mit, der die Grenzen, die ihm seine Behinderung steckt, immer wieder herausfordert und durchbricht. Er zeigt: Der Eishockeysport ist schön und wert, dass man um ihn kämpft.
(Hannes Biedermann; derStandard.at; 6. November 2010)