Marshall Allen

Foto: Porgy & Bess

Es scheint, als hätte jemand Wiener Free-Jazz-Festspiele ausgerufen und Legenden aus allen Himmelsrichtungen an die Donau beordert. Nach dem Peter Brötzmann Chicago Tentet beehrt am Samstag Marshall Allen die österreichische Kapitale.

Der Name des 86-jährige Saxofonisten ist untrennbar mit dem des großen Sun Ra verknüpft: 1958 wurde Allen Mitglied des "Arkestra", um schräge Synthesizer-Experimente und orchestrale Free-Jazz-Katharsis zu durchleben. Und 1995 - nach dem Tod des Meisters - die Leitung der wohl subversivsten Pensionistentruppe des Planeten zu übernehmen, die ihren Glitzerkostümen wie ein Trupp intergalaktischer Weihnachtsmänner anmutet.

Doch Marshall Allen, dessen saxofonistische Powerplay-Energien der Lunge eines 30-Jährigen alle Ehre machen würde, ist nicht nur Traditionsverwalter. Nach wie vor finden auch andere Projekte seine Aufmerksamkeit: Weshalb er diesmal mit einem Quartett namens Rising Sun Orchestra anreist, in dem der Filmemacher James Harrar wesentlichster Dialogpartner ist.

Harrars Super-8-Experimentalfilme sind die grafische Partitur für Marshall Allen und seine improvisierenden Kollegen (Eric Lopez, Ed Wilcox). Im Rahmen der ebenfalls gezeigten Sun-Ra-Filme könnte Allen sogar mit sich selbst in Interaktion treten. (felb/ DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)