Versieht als Fremdenpolizeibeamter frühmorgens Dienst in der "Verrückten Welt der Ute Bock": Karl Markovics (2. v. re.) neben der Titelheldin.

Foto: Stadtkino

Wien - Eine kleine Frau im hellen Staubmantel betritt unter tosendem Applaus die Bühne im Audimax der Uni Wien. Es ist Oktober 2009. Das Audimax ist nicht nur voll, sondern auch besetzt. Die Frau richtet eine knappe Grußadresse ans Publikum und beendet ihren Auftritt mit den Worten: "Ihr könnts euch jetzt anschauen, wie ein grausliches Leben ausschaut. Viel Spaß."

Die beherzte Frau mit dem galligen Humor ist Ute Bock. Der Dokumentarfilm, der vergangenes Jahr uraufgeführt wurde, hieß "Bock for President". Der kurze Mitschnitt seiner Premiere hat nun Eingang in einen Spielfilm gefunden. Dieser heißt nicht "Das grausliche Leben", sondern "Die verrückte Welt der Ute Bock". Und natürlich ist das als Hinweis darauf zu verstehen, dass die österreichische Gegenwart des Jahres 2010 aus der Perspektive einer Asylhelferin nur noch unter Verrückung gewisser Vorzeichen zu ertragen ist, und zwar weil das Normalste - etwa jemandem, der ohne Obdach und Einkommen ist, Hilfe angedeihen zu lassen -, schnell einmal als gesetzeswidrig und asozial gilt.

Einblicke in die Hilfsarbeit, die Ute Bock trotzdem seit acht Jahren leistet, erhielt man bereits im vorigen Film. Diesmal wurde das Konzept verändert, vom klassisch dokumentarischen Zugang der begleitenden Beobachtung und des Interviews wurde abgegangen. Stattdessen wird mit der Realität gespielt:

Alltägliche Begebenheiten hat Autor und Regisseur Houchang Allahyari zu Standardsituationen zugespitzt. Eine ganze Reihe prominenter Mitwirkender tritt darin auf und spielt Frau Bock an, wirft ihr quasi einen Ball zu und provoziert Reaktionen. Die Figuren, die auftreten, sind denn auch Typen: die Stänkerer und die, die "nichts gegen Ausländer" haben, "aber ..."; der Österreicher (Josef Hader), dessen nigerianische Ehefrau als U-Boot hier lebt, der unverbindliche Minister (Peter Kern) und andere, die spontan ihre Hilfe anbieten - wie Roland Düringer als ehemaliger Bock-Schützling und nunmehriger Baupolier, der einen Familienvater beschäftigt, welcher aufgrund seines rechtlichen Status nur vier Stunden pro Woche legal arbeiten darf ("die restliche Zeit mochta Pause bei uns auf da Baustö").

Humorkur für die Realität

Das klingt lustiger, als es ist. Beziehungsweise nehmen solche Pointen der Realität punktuell an Schärfe. Dass Schmäh eine Form der Wirklichkeitsbewältigung ist, das konnte man schon in "Bock for President" verfolgen. Frau Bock wendet diese Methode nach wie vor auf ihre Schützlinge an: "Und - wie war's in der Schubhaft? Schön?", fragt sie einmal einen kleinen Buben, der ein lapidares "okay" zur Antwort gibt.

An der Beklemmung, die sich den Film über entlang eines Handlungsstrangs aufbaut, ändert das wenig: Es geht um das Schicksal einer vierköpfigen armenischen Familie, welche akut von Abschiebung bedroht ist und von Rechtsberaterin Karin Klaric betreut wird. Das erinnert nicht zufällig an jene realen Ungeheuerlichkeiten, die sich in den letzten Wochen in Österreich zugetragen haben. Das Aufklärungs- und Aufrüttelungsfilmprojekt von Houchang Allahyari könnte also durchaus weitergehen. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2010)