Brüssel/Podgorica/Pristina - Die EU-Erweiterung auf den Westbalkan macht Fortschritte: Kroatien hat am heutigen Freitag bei einer Beitrittskonferenz in Brüssel drei weitere Verhandlungskapitel erfolgreich abgeschlossen, der Prozess befinde sich in der "Schlussphase", teilten EU-Diplomaten mit. Damit sind 25 der 35 Kapitel abgehandelt. Montenegro steht indes kurz davor, als drittes Land des Westbalkan nach Kroatien und Mazedonien EU-Kandidatenstatus zu erhalten. Die EU-Kommission werde dies in ihrem Fortschrittsbericht am Dienstag empfehlen, berichtete die regierungsnahe Tageszeitung "Pobjeda" am heutigen Freitag in Podgorica.

EU bemängelt abermals türkisches Verhältnis zu Zypern

Lob und Tadel gibt es für den Verhandlungsprozess mit der Türkei, der zugute gehalten wird, dass sie eine ernsthafte Überarbeitung der Verfassung in Richtung europäische Standards begonnen habe, aber es gebe keinen Fortschritt für eine Normalisierung der Beziehungen zu Zypern. In dem Bericht der Kommission an EU-Parlament und Rat über die "Erweiterungsstrategie und die Hauptherausforderungen 2010-2011", die kommenden Dienstag von Erweiterungskommissar Stefan Füle offiziell vorgestellt wird, heißt es ferner, dass Island seine Beitrittsverhandlungen im Juli begonnen habe. Im Grenzstreit zwischen dem EU-Land Slowenien und dem Beitrittskandidaten Kroatien habe es bedeutende Fortschritte gegeben, außerdem wird auf den beginnenden Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo verwiesen. Serbien habe um Mitgliedschaft in der EU angesucht, die Kommission erarbeite ihre Stellungnahme zu den Anträgen von Montenegro und Albanien.

 

Beitrittsperspektive für Balkanstaaten seit 2003

Die Europäische Union hat den Staaten des Westbalkan (Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien) im Jahr 2003 eine Beitrittsperspektive eingeräumt. Mit Kroatien verhandelt die EU seit dem Jahr 2005 und nach der Beilegung des Grenzstreits mit Slowenien sind die Gespräche bereits in der Zielgerade. Mazedonien ist seit fünf Jahren Beitrittskandidat, die Aufnahme offizieller Beitrittsverhandlungen scheiterte bisher am Namensstreit mit Griechenland.

Während auch die EU-Annäherung Bosniens wegen der innenpolitischen Differenzen der drei Volksgruppen auf der Stelle tritt, gab es im Fall Serbiens jüngst einen Durchbruch: Die EU-Außenminister beschlossen Ende Oktober, den Beitrittsantrag Belgrads an die EU-Kommission weiterzuleiten. Serbien muss nun einen Fragebogen der EU-Kommission beantworten, ehe es offiziell Kandidatenstatus bekommen kann.

"Zusätzliche Anstrengungen" von Montenegro sind notwendig

Montenegro dürfte diese Hürde schon bald nehmen. So empfiehlt die EU-Kommission in ihrem Fortschrittsbericht, den kleinen Adria-Staat offiziell zum Kandidatenland zu küren, berichtet die montenegrinische Zeitung. Allerdings werden von Podgorica "zusätzliche Anstrengungen" insbesondere bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gefordert. Brüssel kritisiert auch Probleme bei der Umsetzung von Gesetzen, die politisierte Justiz sowie Mängel bei der Medienfreiheit.

Vier Staaten derzeit Beitrittskandidat

Montenegro wäre der fünfte Staat, der von der Europäischen Union als Beitrittskandidat anerkannt wird. Derzeit sind dies Kroatien, die Türkei, Montenegro und Island. Der Kandidatenstatus ermöglicht unter anderem die Inanspruchnahme von EU-Vorbeitrittshilfen.

Übergangsfristen für Kroatien

Kroatien schloss am Freitag die Kapitel freier Kapitalverkehr, Verkehrspolitik und Institutionen ab. Was die Kapitalfreizügigkeit betrifft, hat Kroatien eine siebenjährige Übergangsfrist beim Verkauf von Ackerland an EU-Bürger erhalten, die um drei Jahre verlängert werden kann. Damit will Zagreb sein Land vor einem Ausverkauf schützen. Auch im Verkehrsbereich wurde Kroatien eine wichtige Übergangsfrist gewährt. Damit sollen sich die Schifffahrtsunternehmen des Landes besser auf den scharfen Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt einstellen können. Diese Frist läuft für reguläre Schifffahrtslinien bis 2016, beim Charterverkehr endet sie bereits 2014, verlautete in Zagreb.

Beim Kapitel Institutionen wurde unter anderem vereinbart, wie viele Europaparlamentarier Kroatien stellen wird. Zagreb darf zwölf EU-Abgeordnete nach Straßburg entsenden. Außerdem erhält das Land einen eigenen EU-Kommissar und darf je ein Mitglied in den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und den Europäischen Rechnungshof entsenden. Kroatisch wird die 24. Amtssprache der Europäischen Union. Die kroatische Regierungschefin Jadranka Kosor will die restlichen zehn Beitrittskapitel, darunter harte Nüsse wie die Landwirtschaft, noch im ersten Halbjahr 2011 abschließen.

Unzufriedenheit mit Lage im Kosovo

Unzufrieden ist die EU-Kommission indes mit der Lage im Kosovo, der nach seiner Unabhängigkeitserklärung im Jahr 2008 auch eine EU-Perspektive erhalten soll. In ihrem Fortschrittsbericht wird die Brüsseler Behörde unter anderem die geringen Fortschritte bei der Verabschiedung von Gesetzen kritisieren, berichtete die Tageszeitung "Koha Ditore" am Freitag. Auch Organisierte Kriminalität und Korruption stellten weiterhin ernste Probleme dar. Die EU versucht, den Strafverfolgungsbehörden mit einer eigenen Rechtsstaatsmission ("EULEX") unter die Arme zu greifen. (APA)