Europa nahbar zu machen ist Anliegen der "Faces of Europe" an der FH bfi. Am Mittwoch aus Luxemburg zu Gast in Wien: EuGH-Richterin Maria Berger.

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Gastgeber und Fachhochschul-Geschäftsführer Helmut Holzinger bat anlässlich der Veranstaltungsreihe "Faces of Europe" dieses Mal die EuGH-Richterin Maria Berger vor den Vorhang und ermöglichte den Studierenden so, unmittelbar Einblick in das heutige Leben der ehemalige Justizministerin und EU-Parlamentarierin zu nehmen.

Ein konkretes Ziel habe sie nicht vor Augen gehabt, als sie 1975 in Innsbruck an der juristischen Fakultät inskribierte, sagt Maria Berger im Gespräch mit STANDARD-Karrierechefin Karin Bauer: "Ich habe das gemacht, was mich interessiert hat, und das waren nun mal die Rechtswissenschaften und auch Volkswirtschaft. Daneben habe ich immer Französisch und Englisch gelernt, was für meine Berufslaufbahn später ein großer Vorteil war. Aber eine Karriere wie meine zu planen, das wäre gar nicht möglich gewesen."

Das stimmt wohl. Als einzige Österreicherin hat Berger in der Europäischen Union bereits in allen drei Staatsgewalten (Legislative, Exekutive und Judikatur) wichtige Funktionen ausgeübt.

"Und darauf kann man sich auch gar nicht vorbereiten. Als mich der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky eines Nachts anrief und mir sagte, er möchte mich als Abgeordnete für das EU-Parlament gewinnen, hatte ich gerade mal eine halbe Stunde Zeit, um mich zu entscheiden." Sie sagte zu und blieb von 1996 bis 2009 im Parlament, unterbrach nur, weil sie Alfred Gusenbauer als Justizministerin in sein Kabinett holte. "Ich habe dieses Ressort sehr gerne übergehabt und mich sehr wohlgefühlt. Dass die Zeit für mich als Justizministerin sehr abrupt geendet hat, ist niemandem vorzuwerfen."

An interessanten Aufgaben mangelt es Berger nicht. 2009 wird sie zur Richterin am EuGH ernannt und lebt seitdem in Luxemburg: "In meiner Zeit als EU-Parlamentarierin bin ich dauernd zwischen Wien, Brüssel und Straßburg gependelt, das war sehr anstrengend. Deshalb habe ich mich jetzt bewusst dagegenentschieden." Ergo ist nun Luxemburg ihr Lebensmittelpunkt, nur in verhandlungsfreien Wochen kommt sie nach Österreich.

Wie in den anderen EU-Organen sind auch am Gerichtshof Frauen deutlich in der Minderzahl, fünf Richterinnen stehen 22 männlichen Kollegen gegenüber. Das wird sicher schon in einigen Jahren ganz anders aussehen, ist Berger überzeugt. "In meiner Generation haben lang nicht so viele Frauen wie Männer Jus studiert, erst in den 80ern hat sich das deutlich geändert." Die Geschlechterparität scheint also eine Frage der Zeit. Von ihren Kollegen am EuGH ist Berger sehr freudig aufgenommen worden. "Der Grundtenor war: Gut, dass jetzt eine da ist, die aus dem prallen Leben der Union kommt. Das hat mich gefreut." Nicht nur deshalb widmet sich Berger mit großer Begeisterung ihrer Aufgabe: "Alle Richter und Richterinnen am EuGH tragen viel Verantwortung, es gibt keine Instanz über uns. Das ist sehr befriedigend an der Arbeit, wir haben das letzte Wort." (Judith Hecht/DER STANDARD; Printausgabe, 6./7.11.2010)