Winter in Niederösterreich - das ist wahre Brutalität: Monatelang liegt das Leben darnieder. In Decken gehüllt, kauern die Menschen vor Kachelöfen und beten, dass ihre Vorräte bis in den Frühling reichen. Vor der Tür lauert der weiße Tod: Gegen den Frost im Lande des Pröll ist Kanadas Winter lauschig - und der Blizzard ein Maienwind. Dass die Niederösterreicher selbst das nicht wissen, heißt nichts: Warum sonst sollten die Betreiber des Landes-Radverleihs "Leihradl" Anfang November eilig ihre Räder einwintern? In Niederösterreich dauert der Winter nämlich fünf Monate.

Das verblüfft nicht nur Meteorologen. "Absurd", klagt Karl Zauner, Chef der Niederösterreichischen Radlobby (noe@radlobby.at), sei das hysterische Einwintern. "Nicht nur Hardcore-Biker wissen, dass Radfahren bis auf einige Tage fast immer möglich ist."

Der Rad-Winter kommt auch plötzlich: Bei keiner der vielen festlichen Verleihstationseröffnungen heuer wurde er erwähnt. Infomaterial und Homepage warnten bis zuletzt nicht vor ihm. Sponsoren und Lokalpolitiker sind deshalb, so Zauner, jetzt baff: So habe die FH Wiener Neustadt eine im August eröffnete Station mitfinanziert. Zauner: "Kaum wissen die Studierenden davon, ist Winterpause. Sehr clever."

Der Betreiberverein sieht die Sache anders: Laut einer - zufällig - kurz nach dem Lobby-Lamento veröffentlichten Aussendung dient die "planmäßige Einwinterung" dem Radlerwohl: Radfahren im Winter sei ein "Sicherheitsrisiko". Doch es gibt Hoffnung. In fünf Monaten geht es wieder los: am 1. April. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Automobil/5.11.2010)