Ein einfaches Drag & Drop-Demo unter Wayland.

Grafik: Wayland Projekt

An der Portierung von Qt auf Wayland arbeitet derzeit vor allem Intel.

Grafik: Wayland Projekt

Erst vor wenigen Tagen hat Ubuntu-Hersteller Canonical einen zentralen - und durchaus kontroversen - Wechsel für die eigene Distribution angekündigt. Statt des klassischen GNOME-Interfaces oder der mit GNOME 3.0 kommenden GNOME Shell will man schon mit Ubuntu 11.04 die eigentlich für Netbooks geschaffene Eigenentwicklung Unity zum Einsatz bringen. Nun blickt Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth noch etwas weiter in die Linux-Zukunft - und kündigt in einem Blog-Eintrag den nächsten zentralen Technologiewechsel an.

Wayland

Wie es darin heißt, will man sich nämlich so schnell wie möglich vom klassischen X-Server, der im Linux-Umfeld seit Beginn an zum Einsatz kommt, verabschieden. Statt dessen setzt man offensiv auf Wayland, das Shuttleworth als die ideale Basis für Unity ausgemacht haben will.

Modern

Bei Wayland handelt es sich um ein schon vor einiger Zeit durch Red-Hat-Enwickler Kristian Høgsberg ins Leben gerufenes Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende Linux-Grafikinfrastruktur zu modernisieren. Konzeptionell ist Wayland kein vollständiger Server sondern ein schlanker Display Manager, der auf OpenGL ES aufsetzt. Für das Zusammenspiel mit dem restlichen System setzt man ganz auf die Möglichkeiten aktueller Kernel-Versionen, nutzt also etwa Kernel-Based-Mode-Setting oder den Graphics Execution Manager (GEM). Ältere Ansätze ignoriert man gezielt, dazu gehört auch die Netzwerktransparenz des X-Servers.

Umbauten

Dies bedeutet natürlich auch, dass für einen vollständig Wayland-basierten Desktop umfassende Modifikationen an weiter oben in der Infrastruktur liegenden Komponenten vorgenommen werden müssen. Allen voran die großen Toolkits GTK+ und Qt, bei beiden wird aktuell aber ohnehin bereits an Wayland-Support gearbeitet. Dies nicht zuletzt auch deswegen, da man bei MeeGo schon im Frühjahr angekündigt hat, künftig X.org durch den neuen Display-Manager abzulösen, und vor allem Intel in die Portierung investiert.

Begründungen

Für bestehende Anwendungen gibt es bei Wayland allerdings auch einen X-Kompatibilitätsmodus, der laut Shuttleworth denn auch in der Übergangsphase zum Einsatz kommen soll. Als einen der treibenden Gründe für den Wechsel verweist der Ubuntu-Gründer auf die bessere 3D-Performance unter Wayland, X.org habe hier konzeptionelle Probleme, die kaum mehr auszuräumen seien. Übrigens hatte man vor der Entscheidung für Wayland auch andere Optionen im Auge. Wie Shuttleworth verrät, hat man unter anderem einen Wechsel auf das Android Compositing Environment erwogen, schlussendlich aber Wayland als die bessere Technologie für das gesamte Linux-Umfeld identifiziert.

Offene Fragen, zuhauf

Doch auch wenn sich Wayland gerade in den letzten Monaten zunehmend als X.org-Nachfolger angeboten hat, lässt die aktuelle Ankündigung noch viele Fragen offen. So führt Shuttleworth etwa nicht aus, wie die Involvierung von Canonical bei Wayland und Co. künftig aussehen lässt. Bislang ist das Unternehmen in der Entwicklung rund um die Grafik-Infrastruktur von Linux praktisch überhaupt nicht existent, diese wird vor allem von Unternehmen wie Intel oder Red Hat vorangetrieben.

Entwicklung

Zudem wird Wayland aktuell weiterhin beinahe ausschließlich von Høgsberg entwickelt, der von der Ankündigung offenbar ebenso überrascht wurde wie die restliche Linux-Welt. Dies legt zumindest ein Tweet nahe, in dem der Red-Hat-Entwickler zur Ubuntu-Ankündigung leicht zynisch festhält, dass man Wayland nun wohl tatsächlich fünktionstüchtig machen müsse. Neben der logischen Portierung von Unity verweist Shuttleworth immerhin darauf, dass man KDE und GNOME bei dem Umstieg auf Wayland unter die Arme greifen will. Zumindest in Hinblick auf das Letztere wird dies auch nötig sein, setzt Ubuntu unterhalb von Unity doch weiterhin auf die gesamte GNOME-Infrastruktur.

Ausblick

Einen wirklich konkreten Termin für die Integration von Wayland in Ubuntu traut sich Shuttleworth derzeit noch nicht zu nennen, er hofft aber auf erste Erfolge in einem Jahr. Bis man das gesamte Desktop-Ökosystem auf die neue Lösung migriert habe, könnte es freilich noch wesentlich länger dauern, gibt sich der Ubuntu-Gründer mit einem Zeitraum von mindestens vier Jahren aber realistisch. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 05.11.10)

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