Eine Friedenstaube aus den Händen eines Genies: Pablo Picassos "Taube (La Colombe)" aus dem Jahr 1949 -
zu sehen in der Albertina-Ausstellung "Frieden und Freiheit".

Foto: Tate Collection, Großbritannien / Albertina

Diese weniger bekannte Facette spiegelte sich in der Freundschaft zu seinem Exil-Friseur Eugenio Arias wider.

Pablo Picasso sagte einst zu seinem Friseur Eugenio Arias: "Arias! Überall gibt es Kunstwerke von mir, in New York, in London, in Paris, in allen Hauptstädten der Welt. Aber in den Dörfer gibt es nichts. Brauchen die nichts? Dabei sind es doch die Dörfer, die die Städte am Leben erhalten."

Der Friseur stammte aus dem kleinen Dorf Buitrago de Lozoya in der Hochebene Kastiliens. Der Zufall brachte die beiden Spanier im südfranzösischen Vallauris zusammen. Picasso hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Paris den Rücken gekehrt und war an die Côte d'Azur gezogen. Arias, ein ehemaliger Roter aus dem Spanischen Bürgerkrieg, war 1939 nach Frankreich geflohen, hatte während des Krieges in der Résistance gegen Hitler gekämpft und sich dann mit einem Friseursalon in dem Städtchen oberhalb von Cannes selbstständig gemacht.

Dort erschien eines Tages der weltberühmte Pablo Picasso. Man hatte ihm den Landsmann als kauzig, humorvoll und sehr spanisch empfohlen. Fortan pflegte Arias dem Meister die wenigen Haare, rasierte ihn und chauffierte ihn zum Stierkampf nach Arles. Fast dreißig Jahre währte die Freundschaft zwischen den beiden

Als Picasso 1973 starb, erinnerte sich Arias an Picassos Satz von den Dörfern und stiftete sämtliche Werke, die ihm der weltberühmte Freund im Laufe der Jahre geschenkt hatte, seinem Heimatdorf, in dem sie in einem sehr persönlichen Picasso-Museum zu sehen sind. Hätte Arias seine Picassos verkauft, wäre er 2008 als reicher Mann gestorben.

Arias nannte Picasso seinen spirituellen Vater, der Friseur war ebenso einzelgängerisch, dickköpfig und humorvoll wie der um 28 Jahre ältere Freund. Das Bindeglied für die beiden Männer war die spanische Heimat, die Arias in den Franco-Jahren als ehemaliger Kommunist und Bürgerkriegskämpfer nicht betreten durfte und Picasso nicht betreten wollte.

Der Schöpfer von Guernica hatte schon 1939 gelobt, erst dann wieder spanischen Boden zu betreten, wenn sich das Land zur Demokratie gewandelt habe. Zu Arias sagte er einmal: "Die Leute haben keine Ahnung, worunter ich leide."

Arias verstand ihn, er selbst vermisste die Sprache, die Traditionen, sein Heimatdorf und seine Familie. Wie Picasso hatte er sich geweigert, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, und pilgerte stattdessen lieber regelmäßig zur Ausländerbehörde nach Nizza, um seine Aufenthaltserlaubnis verlängern zu lassen.

Arias behielt über alle Jahre das Parteibuch der spanischen KP, Picasso hingegen war 1944 den französischen Kommunisten beigetreten, von denen er sich für diverse Anliegen einspannen ließ. Er unterschrieb Petitionen, wurde Aushängeschild der Friedensbewegung, und er unterstützte die Partei und soziale Einrichtungen mit großzügigen Spenden.

Kritisches Verhältnis

Während sich viele französische Intellektuelle etwa nach dem Slánsky-Prozess 1952, den antisemitisch angehauchten Schauprozessen gegen führende KP-Mitglieder in der Tschechoslowakei oder nach dem ungarischen Aufstand von 1956, spätestens aber nach dem gescheiterten Prager Frühling von der Partei abwandten, blieb ihr Picasso bis zum Tode treu.

Und das, obwohl er ein kritisches Verhältnis zu ihrer Ideologie und eine zunehmende Distanz zu ihrer Praxis einnahm.

Picasso war ein großzügiger Mäzen. In Vallauris, das ihm wegen seiner Unscheinbarkeit ans Herz gewachsen war, unterstützte er die lokale Zeitung, die Partei, Streikende und Bedürftige. Nie hörte er auf, sich für Kranke und Kinder einzusetzen, vor allem aber konnten die Exilspanier in Frankreich sowie die politische Opposition in der Heimat jederzeit mit großzügigen Spenden rechnen. Nachdem die spanische KP in Frankreich auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges verboten worden war, mussten alle Aktivitäten zur Unterstützung der spanischen Opposition in den Untergrund verlegt werden.

Die Zeit heimlicher Operationen begann, Kuriere mit gefälschter Identität schmuggelten Propagandamaterial, Geld und Waffen aus Frankreich nach Spanien und kamen mit Nachrichten aus erster Hand über Repressionen, Verhaftungen, Todesurteile zurück. Eugenio Arias' Haus in Vallauris wurde zum Treffpunkt für spanische Aktivisten - Arias' Verbindung zu Picasso und seine Verschwiegenheit waren bekannt.

Wenn der spätere KP-Chef Santiago Carrillo oder der Schriftsteller Jorge Semprún, der damals als Federico Sánchez zwischen Frankreich und Spanien pendelte, zu Picasso wollten, klopften sie zuerst bei Arias an die Tür.

Picassos Friseur vermittelte die Treffen und chauffierte die Herrn zum Meister. "Arias war einer der besten Kameraden, die Picasso im Exil hatte", sagte Semprun. Bis heute ist unklar, wie viel Picasso dem spanischen Untergrund spendete. "Picasso unterstützte die Arbeit der spanischen Kommunisten mit viel Geld, sehr viel sogar", formulierte vage sein Biograf Pierre Daix.

Harte Kritik

Die politische Situation in Spanien war mit ein Grund, warum Picasso bis zu seinem Tod Mitglied der Partei blieb. Viele haben ihn dafür kritisiert. Etwa der polnische Dichter und Nobelpreisträger Czeslaw Milosz, der Picasso in einem offenen Brief für seine Zurückhaltung während des ungarischen Aufstands verurteilte. "Während all der Jahre, in denen die Kunst in der UdSSR und den Volksrepubliken systematisch zerstört wurde, haben Sie Ihren Namen für Erklärungen hergegeben, die Stalins Regime glorifizierten", schrieb Milosz erzürnt.

Dennoch war trotz allen politischen Engagements die Beziehung zwischen Picasso und der Partei stets eine Mesalliance. Einerseits war er "die größte, beeindruckendste und berühmteste Propagandafeder auf dem Hut irgendeiner europäischen KP", wie der New Yorker schrieb, andererseits unterwarf er sich nie ihren Vorgaben, und seine Kunst war ihnen immer zu eigenständig. Krieg und Frieden war ihnen noch das liebste. Picasso wollte mit diesem 1952 fertiggestellten Werk jedoch vor allem erreichen, dass die Betrachter - möglichst bei Fackelschein - sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen: auf der Seite der in Schwarztönen gemalten und in Aggressionen verstrickten Menschen des Krieges oder auf der Seite der nackten Frauengestalten des paradiesischen Friedens.

Eine Koproduktion

Picasso hatte den Auftrag der Stadt angenommen, die säkularisierte Kapelle in Vallauris auszumalen, solange er noch auf Leitern steigen könne. Er mietete eine aufgelassene Fabrik in der Rue Fournas - heute Rue Picasso - und malte darin oft bis lange nach Mitternacht.

Eugenio Arias blieb treu beim 70-Jährigen und schob das Leitergestell, eine Konstruktion in drei Stockwerken auf Rädern, die eigens angefertigt worden war. "Ich malte auch einige Striche vom Hinterteil einer nackten Frau. Picasso scherzte dazu: 'Ahora hay que poner Picasso y Arias.' - 'Jetzt müssen wir das Werk aber mit Picasso und Arias signieren.'" (DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2010)