Bild nicht mehr verfügbar.

Gesundheits-minister Stöger will künftig streng rechnen: Unsinnige Planung bei den Spitälern soll den Ländern Geld kosten.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - "Das ist keine Idee, sondern ein Rülpser": Wolfgang Sobotka greift zu deftigen Vokabeln, weit über der Zimmerlautstärke. "Unerträglichen Dilettantismus" wirft Niederösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter dem Gesundheitsminister im Gespräch mit dem Standard vor: "Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver der Bundesregierung, die wegen des Budgets am Boden liegt."

Kaum freundlicher fallen die Reaktionen in anderen von der ÖVP geführten Bundesländern aus. "Eine Provokation" erkennen die Oberösterreicher, "eine sinnlose bürokratische Idee" die Tiroler. In Rage gebracht hat die schwarzen Regionalpolitiker ein Vorschlag von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Dieser läuft, auch wenn das der Ressortchef natürlich nicht ausspricht, auf eine Entmachtung der Länder in der Gesundheitspolitik hinaus: Der Bund will für die Entwicklung der Spitäler konkrete Ziele vorschreiben - und Ländern, die diese ignorieren, Geld streichen.

Spitäler immer teurer

Finanzieller Druck mache eine Reform unabwendbar, argumentiert Stöger. In den vergangenen Jahren sind die Kosten für die Spitäler stärker gestiegen als das Wirtschaftswachstum, allein 2009 um sechs Prozent. Ohne Bremse droht der Aufwand in vier Jahren um 3,2 Milliarden auf 15,4 Milliarden zu wachsen. Einen großen Anteil davon bezahlen Bund und Sozialversicherung, doch fürs Ausgeben sind die Länder zuständig. Der Bund kann lediglich Empfehlungen für die Verwendung der Mittel geben - eine "zahnlose" Angelegenheit, wie man im Ministerium bemängelt.

Stöger will das nun ändern. Das Bundesgeld und ein Anteil der Sozialversicherungsbeiträge sollen in einen Steuerungsfonds fließen und nur dann in vollem Umfang an die Länder überwiesen werden, wenn festgelegte Kriterien erfüllt sind. Auf diese Weise will der Minister etwa durchsetzen, dass Spitäler den wachsenden Bedarf an Geriatrieplätzen befriedigen - oder eben verhindern, dass nahe Spitäler das gleiche Angebot im Programm haben, ohne wirklich ausgelastet zu sein.

"Mindestens die Hälfte" der Bundesmittel will Stöger streichen, wenn Vorgaben missachtet werden: "Die Länder müssten sich dann überlegen, ob sie selber zahlen wollen." Beispiel Oberwart und Hartberg, wo sich zwei benachbarte Spitäler jeweils eine Geburtenstation leisten. Für die beiden Anstalten gäbe es so lange weniger Geld, sagt Stöger, bis die betroffenen Landesregierungen die Aufgaben in sinnvollen Schwerpunkten aufteilten: "Da muss ein steirischer Landeshauptmann auch aushalten, dass Kinder aus Hartberg eine burgenländische Geburtsurkunde haben."

Krankenanstalten zusperren will Stöger keine. Sehr wohl könne es jedoch wenig frequentierte Abteilungen treffen - weshalb aber nicht Arbeitsplätze verschwinden müssten. Schließlich gebe es in Bereichen wie Pflege, Geriatrie oder psychische Leiden Unterversorgung.

Als Grundlage für eine zentrale Steuerung wünscht sich Stöger auch ein einheitliches Krankenanstaltengesetz statt neun verschiedener Landesgesetze, um einheitliche Standards durchzusetzen. Bis 2013, ehe der nächste Finanzausgleich in Kraft tritt, will der Minister die Reform mit den Ländern ausverhandelt haben.

Doch zumindest die schwarze Hälfte davon macht wenig Anstalten zu kooperieren. "Wir sind ja kein Oberlehrerstaat", verbittet sich Sobotka jede Form von "Zentralismus" und wittert "einen Anschlag auf die Gesundheitsversorgung": Einmal mehr versuche die Bundespolitik, Spitalsschließungen durch die Hintertür durchzusetzen.

Verbindlicher klingen die roten Landespolitiker. "Ich habe Verständnis, dass der Bund mitreden will, wenn er auch zahlt", sagt Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely und deutet einen möglichen Deal an: Der Bund könne die Reform ja schmackhaft machen, indem er mehr zur Spitalsfinanzierung beiträgt als bisher. Zuletzt sei schließlich der Anteil der Länder stetig gewachsen.

Ärztekammer und Opposition begrüßen die Reformpläne ebenso wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP), der Stöger "volle Unterstützung" garantiert. Die Regierung sei aber gefordert, noch weiter gehende Schritte punkto Verwaltung zu setzen. Entweder solle der von Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler vorgelegte Entwurf für eine Bundesstaatsreform umgesetzt werden, oder es solle ein "Weisenrat" eingerichtet werden, der dem Parlament eine Verfassungsreform vorlegt. Als Mitglieder des Weisenrates schlägt er die Präsidenten des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs, des Rechnungshofes sowie Ex-VfGH-Präsident Karl Korinek und Fiedler vor.

Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger hält es für notwendig, die Krankenhausstrukturen zu vereinfachen. Allerdings habe Stöger den Fehler begangen, seine Pläne über die Medien bekanntzugeben - das könne nur zu einem Nein führen. Dass zumindest die roten Länder Gesprächsbereitschaft signalisieren, ist für Rasinger nur ein "Begräbnis erster Klasse". (go, jo, juh, DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2010)