Wien - Wie unterschiedlich rasch die Mühlen der Justiz mahlen, lässt sich am Beispiel ÖBB eindrucksvoll verfolgen. Während die Korruptionsstaatsanwaltschaft dem Amtshilfeersuchen aus Ungarn betreffend Schmiergeldzahlungen an Amtsträger binnen Wochen nachkam und Razzien durchführte, forderte die Staatsanwaltschaft Wien von der Staatsbahn erst zwei Jahre nach der Anzeige Unterlagen zu dubiosen Immobilien-Deals an.

Konkret geht es um den Verkauf des Postbus-Geländes auf der Erdberger Lände 36-38, der im Februar 2006 von der ÖBB-Immo-Tochter abgewickelt wurde und beim Langfristmieter ÖBB-Güterverkehr Rail Cargo Austria (RCA) Schaden (höhere Miete, zusätzliche Investitionen durch RCA und Postbus sowie Mietvorauszahlungen) verursachte.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt in dieser Causa auf Veranlassung des Rechnungshofs und der Grün-Abgeordneten Gabriela Moser wegen Verdachts auf Untreue und Schädigung der Eigentümer und Anteilshaber, bestätigt Sprecher Thomas Vecsey.

Die Untersuchungen richten sich insgesamt gegen 19 Personen, darunter Ex-ÖBB-Immo-Chefin Michaela Steinacker (heute Raiffeisen), Ex-ÖBB-Holding-Chef Martin Huber, Ex-ÖBB-Bau-Vorstandsdirektor Gilbert Trattner (heute ÖBB-Infrastruktur-Beteiligungsmanagement) und dessen Vorstandskollege Georg-Michael Vavrovsky (derzeit ÖBB-Infrastruktur-AG), Ex-ÖBB-Bau-Vorstand Alfred Zimmermann, sowie gegen die damaligen RCA-Vorstandsdirektoren Ferdinand Schmidt, Gustav Poschalko und Erich Söllinger. Für alle Genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Am 15. Oktober 2010 hat die Staatsanwaltschaft die ÖBB nun aufgefordert, Verkaufsunterlagen, Aufsichtsrats-, Vorstandsprotokolle und sonstige Unterlagen herauszurücken. Steinacker soll, so die Durchsuchungsanordnung, den Aufsichtsräten von Postbus und RCA Informationen vorenthalten bzw. sie falsch informiert haben, um den Verkauf der Liegenschaft an die im Eigentum der Prospero-Holding stehende S&P Erdberger Lände 36-48 um 22,05 Mio. Euro durchzubringen. S&P-Chef war damals Karl-Heinz Strauss (steht heute dem Baukonzern Porr vor), er hat der Bahn 2007 gemeinsam mit Ex-ÖBB-Aufsichtsrat Kari Kapsch das Objekt Elisabethstraße 20 abgekauft.

Die RCA-Gremien hätten nicht gewusst, dass sich RCA zu schlechten Konditionen in das Ex-Postbus-Gebäude einmieten werde, 3,78 Mio. Euro für Klimaanlage und Renovierung einschießen und 1,65 Mio. Euro Miete vorauszahlen müsse. Verkäuferin ÖBB-Postbus-AG musste für Blitzschutz und Dach 314.859 Euro drauflegen. (ung, DER STANDARD, Printausgabe, 3.11.2010)