Wien - Spannung am Verfassungsgerichtshof: Die Richter Herbert Haller und Lisbeth Lass gehen zu Jahresende mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren in Pension. Mit der Bestellung ihrer Nachfolger könnte die konservative Mehrheit unter den insgesamt 14 Verfassungsrichtern gekippt werden.

Formal darf über einen der beiden Posten der Nationalrat entscheiden, über den zweiten die Regierung. Inoffiziell schachern SPÖ und ÖVP bereits darum, wer welchen Posten besetzt. Bis Ablauf der Anmeldefrist am 28. Oktober haben sich 14 Personen bei der Regierung beworben, 15 bei der Parlamentsvertretung. Diese 15 müssen sich am 11. November in einem Hearing den Fragen der Abgeordneten stellen. Die Entscheidung fällt vermutlich im Plenum am 17. November, den Kandidaten der Regierung bestimmt der Ministerrat - ohne Hearing.

Ein blauer Posten wird wieder schwarz

Herbert Haller wurde 2002 unter der schwarz-blauen Regierung von der FPÖ nominiert, Lass zog 1994 über ein Ticket der SPÖ und den Nationalrat in den Gerichtshof ein - naturgemäß würde das Vorschlagsrecht für Haller nun der ÖVP zukommen, jenes für Lass der SPÖ. Allerdings gibt es einen Haken: Der Nationalrat hat in seiner Bestellung mehr Freiheiten als die Regierung. Diese darf ihre Richter laut Verfassung lediglich aus dem Kreis der Richter, Verwaltungsbeamten und Professoren wählen. Der Nationalrat hingegen kann auch Rechtsanwälte bestellen. Laut Gerüchten sähe die niederösterreichische ÖVP gerne einen bestimmten Anwalt als Richter: Will sie ihn durchbringen, müsste sie ihn als Kandidaten des Nationalrats nominieren. Damit würde sich das Recht auf die Postenvergabe ändern.

Offiziell wollen sich weder SPÖ noch ÖVP zu der möglichen Personalrochade äußern. Man sortiere die eingegangenen Bewerbungen und werde sich im Dezember entscheiden, heißt es aus den Parteibüros.

Momentan wird die Mehrzahl der Richter als ÖVP-lastig eingestuft: Würde die Volkspartei ihr Vorschlagsrecht jedoch an die SPÖ abgeben, könnte sich das ändern. Allerdings ist die Einflussnahme der Parteien auf die Richter marginal - einmal bestellt, sind sie unabsetzbar bis zu ihrem 70. Lebensjahr im Amt. Die beiden Nominierten müssen nach ihrer Bestellung vom Bundespräsidenten angelobt werden. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Printausgabe, 3.11.2010)