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Auf die Nordische und Internationale Konferenz gegen Gewalt an Frauen folgte eine Großdemonstration in Reykjavik, "typisch für die Situation der Frauen", so die isländischen Medien, bei Sturm. "Frauen haben immer gegen alle Widerstände kämpfen müssen", hieß es nach der morgendlichen Sturmwarnung.

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Nordische und Internationale Konferenz gegen Gewalt an Frauen fand von 22. bis 24. Oktober mit rund 50.000 TeilnehmerInnen in Reykjavik statt.

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Islands Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir...

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... ermunterte alle MinisterInnen, täglich die Genderbrille zu tragen.

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Die frühere Umweltministerin Kolbrún Halldórsdóttir und Guðrún Jónsdóttir von Stígamót überreichen allen männlichen Vortragenden eine Unterhose mit der Aufschrift: "I am responsible". Hier im Bild der norwegische Justizminister Knut Storberget.

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Stellen Sie sich vor, jemand bricht bei Ihnen ein. Sie gehen zur Polizei, um das Verbrechen anzuzeigen - und werden gefragt, ob Sie denn, da Sie Ihr schönes Auto vor Ihrem Haus geparkt haben, nicht selbst den Einbruch provoziert hätten? Oder, weil Sie mit dem Einbrecher persönlich bekannt waren, nicht selbst zum Einbruch geladen hätten? Unvorstellbar? Nicht wenn Sie ein Opfer von Vergewaltigung sind.

Vergewaltigung, Defizite im Justizsystem und Mythen über männliche und weibliche Sexualität standen im Mittelpunkt der diesjährigen Nordischen und Internationalen Konferenz gegen Gewalt an Frauen in Reykjavik vom 22. bis 24. Oktober, organisiert von den Nordischen Frauen gegen Gewalt, dem isländischen Krisenzentrum für Opfer sexueller Gewalt Stígamót, und der Dachorganisation von über 20 isländischen Frauenorganisationen Skottur. Das Frauenrechtsnetzwerk "Wave" war dabei und berichtet im Folgenden von den Ereignissen in der isländischen Hauptstadt.

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Heuer jährte sich zum 35. Mal der Generalstreik der isländischen Frauen. 1975 legten 90 Prozent aller Frauen aus Protest gegen die Lohndiskriminierung ihre Arbeit nieder- und damit die Gesellschaft lahm. Am diesjährigen 25. Oktober ab exakt 14:25 Uhr wiederholten 50.000 Frauen in Reykjavik (von knapp 120 000 EinwohnerInnen) und Hunderte Frauen in anderen Städten Islands den Protest ihrer Mütter und riefen gleichzeitig zu einem Ende der Gewalt an Frauen auf. Wird die aktuelle Lohnschere des Landes zugrundegelegt, arbeiten Frauen 2010 ab 14:25 Uhr gratis.

Die Rolle der Staaten und ihr Versäumnis, aus Budgetgründen nicht gegen Geschlechterdiskriminierung anzugehen, müsse untersucht werden, forderte UN-Sonderberichterstatterin zur Gewalt an Frauen, Rashida Manjoo, und betonte, die "Finanzierung der Frauenhäuser ist unabdingbar". Das Internet sei kein Ersatz für Frauenhäuser, unterstrich auch die Sprecherin aus Grönland.

1975 war Männergewalt an Frauen im sozialen Nahraum noch ein absolutes Tabuthema, erinnerte Islands frühere Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir: "I am a passionate believer in the transformative power of women's solidarity". Opfer von Gewalt bekommen heute mehr Hilfe. Die Einstellung der Männer habe sich aber in den letzten 20 Jahren nur unmerklich geändert, sagte die Schriftstellerin Þórdís Elva Þorvaldsdóttir Bachmann.

Laut Studien von Amnesty International (die aktuellste aus 2010) machen ein Drittel bis fast die Hälfte der befragten Männer in Großbritannien und in Nordeuropa Frauen für Vergewaltigung teilweise oder ganz verantwortlich, wenn sie flirteten, zu viel tranken, sexy Kleidung trugen, promisk waren oder im Ruf standen, es zu sein. "Ignoranz ist nicht harmlos", sagte Guðrún Jónsdóttir von Stígamót. Meist steht das Verhalten des Opfers im Fokus, die Einstellung des Täters zu Frauen und Sexualität wird nicht
untersucht. Viele Verfahren werden niedergelegt. Wenn Frauen zu 99 Prozent mit einem Freispruch des Täters rechnen müssen, liege es auf der Hand, dass Opfer vor einer Anzeige zurückschrecken, so die norwegische Staatssekretärin für Justiz, Astri Aas Hansen.

Gründlichere Nachforschungen seien dringend geboten. Die hohe Rückfallquote von Sexualstraftätern sei hoch, häufig bestehe eine Beziehung zwischen Mord- und Sexualverbrechen. Norwegen richtete 2008 eigene Einheiten zur sexuellen Gewalt ein. Die schwedischen Dachorganisationen der Frauenhäuser, SKR und ROKS, fordern von ihrer Regierung einen Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt.

"Das macht Ihr besser!"

Gegenseitiges Lernen sei notwendig und gebe Kraft, betonten die TeilnehmerInnen. Norwegen baute seine Hilfsangebote für Kinder, die Opfer von Gewalt wurden oder innerhalb der Familie miterleben mussten, nach isländischem Vorbild aus. Das von Tove Smaadahl vom norwegischen Krisesentersekretariatet initiierte Projekt ROSA zur Unterstützung und Rehabilitierung von Menschenhandelsopfern könnte für den Ausbau entsprechender Hilfsangebote in Schweden Vorbild sein. Island und Norwegen übernahmen das schwedische Modell zur Kriminalisierung der Freier und zum Schutz der Prostituierten, das auch Taina Bien Aime von Equality Now und Ruchira Gupta aus Indien, Präsidentin von Apne Aap Women Worldwide, forderten. Die norwegischen Vertreterinnen forderten die Übernahme des isländischen Modells, das Opfern von Vergewaltigung mindestens zehn Stunden kostenlose psychotherapeutische Beratung zusichert.

"Realitetsbehandling": Diese vielsagende norwegische Bezeichnung steht für die Entscheidungen Norwegens, in mehreren Fällen trotz des Dublin-Abkommens Opfer von Menschenhandel unbefristeten Aufenthalt zu gewähren, statt sie in die Erstländer abzuschieben. "Wir sind einen weiten Weg gekommen, aber es ist noch ein weiter Weg zu gehen", sagte der norwegische Justizminister Knut Storberget. Und somit überreichten die Frauen von Skottur zum Abschluss wärmende Schals an die weiblichen Vortragenden und Unterhosen mit der Aufschrift "I am responsible" an die männlichen. (red)