Wien - Eigentlich hätte Lucinda Childs' Choreografie Dance auch ins Programm der Viennale gepasst. Denn in diesem Stück aus dem Jahr 1979 steht ein Film des Konzeptkünstlers Sol LeWitt buchstäblich im Vordergrund.

Lucinda Childs, 70, gehörte ab 1962 vier Jahre lang der Gruppe um das legendäre New Yorker Judson Dance Theater an - unter anderem neben Yvonne Rainer, Steve Paxton, Carolee Schneemann und Trisha Brown. Wie Brown hat Childs jedoch die Radikalität der alten Tage abgestreift und bringt bis heute große Formate auf die Bühne.

Der effektvolle Trick bei Dance ist die Projektion eines Films auf ein vor der Bühne aufgespanntes feines, durchsichtiges Netz. Über dieses geistern in Schwarz-Weiß die Tänzer der Uraufführungsbesetzung, darunter Childs selbst. Dahinter bewegen sich, farbig beleuchtet, die Live-Tänzer, und das erinnert etwa auch an Merce Cunninghams Stück Biped (1999), in dem ebenfalls hinter einer Filmprojektion getanzt wurde.

Childs, die in ihren wilden Tagen gern mit Objekten experimentiert hatte, war Ende der 1970er zur reinen Körperbewegung zurückgekehrt - und damit näher an Cunninghams Ästhetik gerückt, von der sich die Judson-Gruppe einst bewusst abgesetzt hatte. Doch gerade mit dieser Werkphase beeinflusste sie offenkundig die junge Anne Teresa De Keersmaeker, die sich 1982 in Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich klar an die Bewegungsmuster der Amerikanerin anlehnte. Mit Fase begann der große Aufbruch des europäischen zeitgenössischen Tanzes in Belgien, der seinerzeit auch Jan Fabre, Alain Platel und Wim Vandekeybus beflügelte. Lucinda Childs hatte also indirekt Anteil an dieser Initialzündung.

Auch ohne diesen Hintergrund ist Dance eine schöne Arbeit geblieben, mit der trancehaft magischen Musik des Minimalisten Philip Glass und dem synchronen Ineinanderfließen des Tanzes im Film und auf der Bühne. Es war gut, dem Stück nun, zehn Jahre nach seiner österreichischen Erstaufführung beim Festival tanz2000.at, wiederzubegegnen. Vielleicht wird es ja auch einmal auf einem Filmfestival gezeigt. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe 2.11.2010)