Edmund Berndt hat Schuhgröße 49. Aber das war nicht sein Problem. Da war zum einen sein schlimmer Rücken, aus dem die Bandscheiben wie Gummibälle springen, dann war da sein Motorradunfall, bei dem er sich sein linkes Bein zertrümmert hatte, und dann war da noch seine Körpergröße von rund zwei Meter. "Nach meinem Unfall und durch die Probleme mit den Bandscheiben, habe ich gemerkt, ich muss was tun. Und ich entschloss mich, mit dem Radfahren zu beginnen. Aber für meine Größe gab es kaum einen Rahmen, der passte. Zumindest nicht im finanzierbaren Bereich."

Foto: Gabriele Gluschitsch

Edi kaufte sich ein Cannondale und fuhr. Nur nicht den Rückenproblemen davon. Ein Fully war für ihn keine Option, weil entweder der Rahmen nicht passte, oder die Federn nicht ausreichend dimensioniert waren. "Ich bin drauf gestoßen, dass Liegeräder bei Kreuzmaroden sehr beliebt sind und beschloss, mit meinem Schwiegervater eines zu bauen." Ein Trike sollte es werden, "aber mit zwei Rädern vorne. Weil die Trikes mit zwei Rädern hinten werden als Seniorenvariante belächelt."

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Aus dem Internet holten sich die Beiden die Pläne für ein halbgefedertes Rad. "Mein Schwiegervater fragte dann auf einmal, ob ich denn je so ein Rad probiert hätte. Nicht, dass wir es zusammenbauen, und dann mag ich gar nicht damit fahren. Also fuhr ich zur Bike Revolution nach Gänserndorf und probierte dort eines der Liegeräder. Weiterer Hintergedanke war, dass ich mir dort bei der Konstruktion etwas abschauen könnte." Nach nur 500 Metern war die Sache für Edi klar: "Ich will ein Liegerad, und ein Selbstbau kommt nicht in Frage."

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Für sein vollgefedertes Liegerad zahlte er dann rund 3000 Euro. "Mit dem Zubehör, das bis heute verbaut ist, sind es inzwischen wohl so um die 3800 Euro geworden. Ich hab zum Beispiel gedacht, ich brauche keine Kotflügel. Nach meiner ersten Runde am Donauradweg im Regen, wusste ich es besser. Ich war komplett dreckig."

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Knapp 4000 Euro sind jetzt aber auch kein Pappenstiel für ein Fahrrad. Da wäre sich ein Maßrahmen auch schon ausgegangen. "Ja, ich hab auch mein altes BMW Cabrio verkauft, um mir das Rad leisten zu können." Leid tut ihm die Entscheidung bis heute nicht. Nur seiner Frau – die anfangs gegen den Bayern war – fiel die Trennung ein wenig schwer.

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"Mit dem Rad bin ich heute eine Sehenswürdigkeit. Im Ort, wie am Radweg. Auf den ersten Blick meinen die Leute oft, das Liegerad sei ein Behindertenfahrzeug, bis sie dann merken, dass ich ja mit den Beinen trete und den Armen lenke. Kinder fragen da schon einmal nach.

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Oder unlängst ein Mann in einer Hofeinfahrt: Es ging bergauf – Wiegetritt kannst du bei einem Liegerad ja keinen machen – also wählte ich den kleinsten Gang und fuhr den Hügel rauf. Ein Mann sah mich und fragte, was das sei. Während ich antwortete, ging er locker neben mir mit. Da kommt man sich dann schon ein wenig komisch vor, aber meine Güte."

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Und auf stark bombierten Straßen ist das Gefühl am Trike auch seltsam, erzählt Edi, weil das Rad dann so schräg liegt. Rund 23 Kilogramm wiegt das Trike, dessen Rahmen komplett aus Stahl gefertigt ist. Es verzögert über drei Scheibenbremsen und hat natürlich eine Feststellbremse.

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"Im Sommer versuchte ich, ein bis zwei Mal in der Woche mit dem Rad in die Arbeit zu fahren. Dazu brauchte ich in jede Richtung etwa eineinviertel Stunden." Das Rad nahm Edi aber mit ins Büro. "Das geht sich im Lift gerade aus, dass ich das Rad reinbekomme und selbst auch noch Platz habe."

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Der Wechsel vom normalen Rad auf ein Liegerad bereut Edi nicht. "Experten sagen, dass man rund 1000 Kilometer braucht, bis man sich ans Gerät gewöhnt hat. Rund um den Attersee, brauchte ich untrainiert mit dem Liegerad nur zehn Minuten länger als in gut trainierten Zeiten mit dem normalen Rad. Das passt für mich."

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Er geht sogar noch weiter und behauptet: "Wer einmal ein Liegerad probiert hat, wird kein anderes mehr haben wollen. Im Trike sitzt du bei der Radtour wie in einem Sofa und kannst dir die Gegend anschauen, während du auf einem normalen Rad dauernd den Kopf überstrecken musst. Mit meinem Rücken hab ich beim Radfahren gar keine Probleme mehr. Autos halten beim Überholen viel mehr Abstand als bei einem normalen Radfahrer. Außerdem drückt es einen den Sattel nicht dorthin, wo es am meisten wehtut, und noch dazu kann man mit dem Trike nicht umfallen."

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Seine Frau räuspert sich, Edi stockt kurz und gibt dann zu: "Ja, kann man schon, wenn man zu schnell einen Berg runterfährt und hart einlenkt, ohne sich entsprechend in die Kurve zu legen. Oder wenn einer beim Auto die Tür aufreißt und man sich mit einem Rad auf den Gehsteig zu retten versucht, kann das auch schon zu viel sein", sagt er, während er sich über den Unterarm und den Ellenbogen fährt "Aber inzwischen ist ja alles verheilt." Bleibt nur ein Problem. "Die Hunde. Für die bist du Beute auf Augenhöhe."

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