Warten auf die Ankunft des Messias


Knapp zehn Jahre ist es her, dass die österreichische Bundesregierung das Washingtoner Abkommen unterzeichnete, das die Restitution und Kompensation in der NS-Zeit geraubten jüdischen Eigentums regelt. Vieles wurde seither umgesetzt. Nur in der Frage der Restaurierung wie Erhaltung der jüdischen Friedhöfe ging lange Zeit, wiewohl eine "zusätzliche Unterstützung" versprochen worden war, nichts weiter. Denn jüdische Gräber sind bis zur Ankunft des Messias zu pflegen - wann immer das auch ist.

Kaum eine Gebietskörperschaft wollte daher Verpflichtungen, deren Ende nicht absehbar sind, eingehen. Man stritt vielmehr, wer zuständig sei: Der Bund, weil er das Abkommen unterzeichnete? Oder die Länder und Gemeinden, weil der Bund sehr wohl in ihrem Namen etwas vereinbaren darf?

Und so verfielen die Friedhöfe weiter. Nicht alle: Da und dort schnorrten Privatpersonen oder Vereine, darunter Martina Enzmann und das Komitee zur Erhaltung des jüdischen Friedhofes von Klosterneuburg, um Geld, sie befreiten die Gräber von Gestrüpp, sie stellten diese wieder auf und ließen sie restaurieren. Eine Klärung des Problems war aber hoch an der Zeit. Das Kulturamt des Landes Steiermark organisierte daher 2009 eine Expertenkonferenz, die am 3. Dezember in der Grazer Synagoge stattfand. Die Dokumentation Jüdische Friedhöfe in Österreich. Aspekte der Erhaltung wurde kürzlich im Grazer Universitätsverlag veröffentlicht.

Auch wenn sich Bund und Länder wenige Tage nach der Konferenz einigten, einen Instandsetzungsfonds einzurichten, ist das Büchlein ein interessantes Nachschlagewerk: Alle 61 Friedhöfe, die das Denkmalamt in einer Verordnung unter Schutz stellte, werden in knappen Worten und mit je einem Foto vorgestellt.

Heidemarie Uhl berichtet in ihrem Beitrag über Erinnerungskultur, dass es allerorts Hinweisschilder zu Soldatenfriedhöfen gibt - jüdische Friedhöfe hingegen sind zumeist nicht leicht zu finden, was in einem konkreten Fall allerdings nicht weiter verwundert: Jener von Bad Sauerbrunn (Burgenland) wurde in der Dokumentation nach Niederösterreich verortet.

Den jüdischen Friedhöfen in der Steiermark widmet sich nur ein einziger Beitrag. Aus gutem Grund: Zeitgleich erschien ein von Christiane Kada im Auftrag des Kulturamts konzipiertes und sehr ansprechend gestaltetes Buch über ebendiese unter dem Titel Bruchstücke. Ausführlich (samt Anfahrtsskizzen!) werden die Friedhöfe, darunter auch der neu entdeckte in Mühldorf, dargestellt. Einfühlsame Gedichte von Gertrude Maria Grossegger und feinlinige Zeichnungen von Petra Sterry ergänzen die Erläuterungen von Antje Senarclens de Grancy.

Ein ähnliches Konzept liegt dem Buch Währinger jüdischer Friedhof. Vom Vergessen überwachsen zugrunde: Namhafte Fotografen, darunter Harry Weber (2007 gestorben), Isolde Ohlbaum und Claudio Alessandri fingen die Magie des verwunschenen Ortes in wunderschönen Bildern ein, Tina Walzer erklärt die Historie.

Im Verlag Bibliothek der Provinz erschien zudem ein großformatiger Band: Heinz Schmidt porträtierte die jüdischen Friedhöfe Österreichs in melancholischem Schwarz-Weiß, Andreas Feiertag erzählt dazu anhand von Grabsteinen berührende Lebensgeschichten vom Mittelalter bis heute. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 30.10.-1.11. 2010)