"Vielleicht hat er mich nur falsch verstanden, weil mein Englisch so schlecht ist": Der kanadische Schauspieler Ryan Reynolds drehte "Buried" jedenfalls unter eher unbequemen Bedingungen.

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Dietmar Kammerer traf ihn zum Gespräch über Hauptdarsteller Ryan Reynolds und "unmögliche" Filme.

Wien – In Rodrigo Cortés' Buried ist der Filmtitel Programm: Irgendwo in der irakischen Wüste wacht der Lkw-Fahrer Paul Conroy (Ryan Reynolds) eingesperrt in einer Holzkiste auf. Er wurde entführt und vergraben. Alles, was seine Kidnapper ihm gelassen haben, ist ein Mobiltelefon und ein Feuerzeug. Er hat neunzig Minuten Zeit, um am Telefon ein Lösegeld von mehreren Millionen Dollar zu organisieren, ansonsten wird er einfach dort vergessen.

STANDARD: Ihr Hauptdarsteller hat 17 Drehtage in einem Sarg verbracht. Wie groß war dieser Sarg?

Cortés: Wir haben insgesamt sieben verschiedene Särge, oder eher Holzkisten, anfertigen lassen. Deren Höhe und Breite war immer dieselbe. Sie sehen allerdings auf der Leinwand unterschiedlich aus, je nachdem, ob der Kameramann eine Linse mit kurzer oder langer Brennweite eingesetzt hat und wie wir die Kisten ausgeleuchtet haben. Wir mussten den wenigen Raum, den wir hatten, in möglichst dramatischer Weise nutzen. Was die genauen Maße angeht: Ryan Reynolds ist etwa einen Meter neunzig, der Sarg war nur sieben Zentimeter länger. Und 65 Zentimeter breit.

STANDARD: Ich kann mir kaum unangenehmere Arbeitsbedingungen für einen Schauspieler vorstellen. Wie viele mussten Sie anfragen, wie viele haben die Rolle abgelehnt?

Cortés: Kein einziger, Reynolds war mein Wunschkandidat! Ich war schon immer begeistert, wie er es schafft, die größten Gefühle mit minimalen Bewegungen auszudrücken. Er spielt keine Rolle – er ist sie immer. Seit Cary Grant gab es keinen Schauspieler mit solch einem Gespür für den richtigen Moment. Das war auch absolut notwendig für diesen Film, denn in einem sehr kafkaesken Sinn ist Buried eine Komödie. Der Film ist alles andere als lustig, aber er hat die Struktur einer Komödie. Denken Sie an Billy Wilders Das Appartement: Man genießt es, wie die Hauptfigur von einer unmöglichen Situation in die nächste geworfen wird. Buried hat denselben Rhythmus. Keine Linie, sondern eine Achterbahn, ein Auf und Ab.

STANDARD: Haben Sie Reynolds einfach angerufen und gefragt: Wie wär's, hast du Lust, dich für drei Wochen in einen Sarg einsperren zu lassen?

Cortés: Wir haben ihm Chris Sparlings Skript geschickt. Er hat es gelesen und gesagt, es sei das beste und furchterregendste Drehbuch, das er kennt. Viel Glück damit. Ohne ihn.

STANDARD: Und dann?

Cortés: Reynolds dachte, dass die Story nicht verfilmbar sei. Erst, nachdem ich ihm im Detail erklärt habe, wie ich das Skript umsetzen will, war er überzeugt, dass dieser "unmögliche" Film doch machbar sei. Vielleicht hat er mein Konzept auch einfach nur falsch verstanden, weil mein Englisch so schlecht ist. Jedenfalls hat er nach einer halben Stunde Gespräch bereits eingewilligt. Von da an war es zu spät.

STANDARD: Was hat Sie an der Geschichte gereizt?

Cortés: Ich wollte immer schon einen "unmöglichen" Film in der Art von Hitchcock drehen. Denken Sie an Das Rettungsboot oder an Cocktail für eine Leiche. Das waren enorme technische Herausforderungen, denen Hitchcock sich als Erster gestellt hat und für die er noch heute zu Recht bewundert wird. Wie oft im Leben bekommt man die Chance, eine Aufgabe bewältigen zu müssen, an die sich niemand zuvor gewagt hat?

STANDARD: Hatten Sie konkrete Hitchcock-Szenen als Vorbilder für "Buried" im Kopf?

Cortés: Das Wichtigste, was man von ihm lernen kann: Die wirkliche Zeit, der wirklich Raum bedeuten im Kino nichts. Nur die filmische Zeit und der filmische Raum. Man kann sie dehnen oder komprimieren.

STANDARD: Vor allem komprimieren. Zuschauer mit Platzangst sollten sich den Film besser nicht ansehen.

Cortés: Buried ist ein Film, der nicht nur gesehen werden soll, sondern mit dem ganzen Körper wahrgenommen: mit den Augen, den Knochen, dem Fleisch, dem Blut, der Haut. Beim Dreh musste alles anfassbar aussehen und glaubwürdig sein. Echter Sand, echtes Holz, echter Schweiß. Der Zuschauer muss selbst in dem Sarg stecken. Man soll das Gefühl bekommen, den Kinosaal mit Holzsplittern in den Fingern zu verlassen.

STANDARD: Die Holzkiste wird für Paul Conroy eine ganze Welt. Sie ist alles, was er noch hat.

Cortés: Obwohl die Hauptfigur eingeschlossen ist, fühlt es sich nicht so an: Er kämpft und kämpft, macht immer weiter. Immer, wenn ein neues Objekt auftaucht oder er eine neue Information erhält, bekommt seine Welt eine neue Dimension. Obwohl wir den Sarg nie verlassen, ist die ganze Geschichte von Paul Conroy präsent: sein bisheriges Leben, seine Familie, die Attacke auf den Konvoi im Irak. Zu Beginn sehen wir einen Kerl, der in der Wüste in einem schwarzen Loch begraben ist. Neunzig Minuten später wissen wir alles über diesen Mann. (Dietmar Kammerer, DER STANDARD – Printausgabe, 30./31. Oktober/1. November 2010)