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In der institutseigenen Gärtnerei züchten Marihuana-Studenten Hanfpflanzen unter Halogenlampen.

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Fast jeder zweite Laden steht leer. Auf den Gehsteigen schieben Obdachlose ihren dürftigen Hausrat in Einkaufswagen vor sich her. In Oakland zeigt sich der Wirtschaftsabschwung von seiner hässlichsten Seite. Und so ist es vielleicht kein Wunder, dass diese Stadt im Norden San Franciscos sich zum Zentrum all derjenigen entwickelt hat, die glauben, dass man zur Krisenbewältigung nur die Drogengelder eintreiben muss. Schon 1996 hat Kalifornien Cannabis für den medizinischen Gebrauch legalisiert. Zur Behandlung bedarf es einer Therapiekarte. 400.000 Kalifornier sind inzwischen Inhaber eines Cannabis-Ausweises. Das Geschäft mit dem grünen Gold blüht: Die Industrie setzt jedes Jahr 14 Milliarden Dollar um.

Im Blue Sky Coffeeshop an der 17th Street erklärt ein Kundenberater Geschmacksnoten und Wirkweisen der verschiedenen Cannabis-Arzneien. Dale Sky Jones nimmt eine Achtelunze Granddaddy Purple zum Sonderpreis von 55 Dollar. Die hübsche Blondine ist keine dahergelaufene Patientin. Sie hat als Managerin bei Großkonzernen wie Procter & Gamble und Uncle Ben's Karriere gemacht. Jetzt gehört sie zu den Initiatoren der sogenannten "Proposition 19", einer Volksabstimmung, die bei der Wahl am 2. November eine vollständige Cannabis-Freigabe herbeiführen soll. "Wir erwarten 1,4 Milliarden Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen und 50.000 neue Jobs", frohlockt die Legalisierungsbefürworterin.

Kiffen gegen die Krise

Die Oaksterdam University, deren Name ein Wortspiel aus Oakland und der Hasch-Metropole Amsterdam ist, macht schon jetzt fit für eine Karriere in der Cannabis-Branche. Für 670 Dollar (485 Euro) kann man dort in einem 13-wöchigen Kurs alles lernen, was man wissen muss über Anbau, Handel, Beratung, Verkauf und Betrieb einer Ausgabestelle. Die Diplome sind nicht offiziell anerkannt, doch das tut dem Ansturm keinen Abbruch. "Die Zeiten, in denen sich nur Hippies für Marihuana interessierten, sind definitiv vorbei", sagt Arthur, der für die Immatrikulationen zuständig ist. 13.000 Absolventen haben die Oaksterdam University seit ihrer Gründung 2007 verlassen. Es gibt Wartelisten.

In der institutseigenen Gärtnerei züchten Marihuana-Studenten Hanfpflanzen unter Halogenlampen: Die Sorte Bubble-Gum schmeckt süß wie rosa Kaugummi, die Sorte Blue Dream ist würzig mit einem Hauch von Pfeffer. Praxis wird großgeschrieben an der Oaksterdam University. Aber auch die Theorie kommt nicht zu kurz. Im Kursprogramm, das online nachgelesen werden kann, finden sich Klassen wie "Drogenrecht", "Verhalten bei Polizeikontrollen", "Kochen mit Hanf" oder "Medizinischer Hintergrund". Auch viele Arbeitslose begreifen das Geschäft mit der Droge inzwischen als berufliche Rettung. Der gelernte Maurer José hat im Fernsehen von der Oaksterdam University gehört. Demnächst bekommt er sein Diplom: "Ich werde eine Cannabis-Apotheke eröffnen", sprudelt es aus ihm hervor, "und dann expandieren und das Produkt verbessern."

Anbau des grünen Krauts

Sollte Kalifornien Cannabis komplett legalisieren, dann hätte der Staat die liberalsten Gesetze der Welt. Selbst in den Niederlanden ist der Anbau des grünen Krauts offiziell nicht erlaubt. Aktuellen Umfragen zufolge sind 56 Prozent der kalifornischen Wähler für die Freigabe.

Dennoch ist auch der Entwurf, über den sie abstimmen werden, an ganz bestimmte Regeln geknüpft. Cannabis dürfte nur auf einer Fläche von maximal 2,3 Quadratmetern angebaut werden, der Besitz der Droge wäre auf eine Menge von einer Unze pro Person beschränkt, die Konsumenten müssen älter als 21 Jahre sein und dürfen auch nicht in der Öffentlichkeit kiffen. John Lovell gehen diese Restriktionen nicht weit genug. Der Rechtsanwalt lobbyiert in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento gegen den legalen Cannabisgenuss - sein Argument: "Was ist mit Leuten in verantwortlichen Jobs - Ärzten und Piloten zum Beispiel?" (Beatrice Uerlings aus Oakland, DER STANDARD Printausgabe, 01.11.2010)