Im Hof des Altenwohnheims in der Seegasse im neunten Wiener Gemeindebezirk liegt ein Stück Geschichte. Der jüdische Friedhof Rossau besitzt Gräber aus dem Mittelalter bis 1783.

Foto: derStandard.at/Maria Sterkl

Das Schicksal der Grabsteine spiegelt jenes der jüdischen Bevölkerung in Österreich wieder, das von Vertreibung, Vernichtung aber dennoch großer Stärke und immer wieder dem Willen zu Neuaufbau geprägt ist.

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Zur Zeit des Nationalsozialismus brachten mutige Bürger viele Grabsteine am Zentralfriedhof bei Tor 4 in Sicherheit, die vergrabenen Steine wurden in den 80er-Jahren durch einen Zufall gefunden.

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Erst 1984 konnte der Friedhof wieder eingeweiht werden - jedoch nur mit einem Bruchteil der ursprünglichen Grabsteine. Viele liegen noch am Zentralfriedhof und sind bei unsachgemäßer Lagerung den Witterungen besonders ausgesetzt.

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Der Friedhof Seegasse ist jedoch nicht ausschließlich geschichtlich relevant. Noch heute kommen aus der ganzen Welt Gläubige angereist, um Vorfahren oder berühmte Rabbiner zu ehren und zu beten.

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Die Historikerin Tina Walzer veranstaltet Führungen auf jüdischen Friedhöfen. "Das Judentum ist eine Religion der Schrift. Es gibt nur in Ausnahmen Verzierungen, Blumen und Kerzen", erklärt sie.

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Die Expertin liefert die gängige Erklärung, warum Juden und Jüdinnen Steine auf Grabsteine legen: "Der Ursprung für diesen Brauch wird in der Frühzeit datiert, als die Juden in der Wüste gelebt haben. Ihre Toten mussten sie im Sand bestatten, der keinen festen Schutz gegen Tiere bot." Daher wurde das Grab mit Steinen befestigt.

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Wenn vorbeiziehende Menschen bemerkten, dass Steine vom Grab gefallen waren, legten sie diese wieder drauf. Der Hintergrund ist, dass der Leichnam im Judentum unversehrt bleiben muss.

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Der steinerne Fisch fällt bei einem Besuch auf dem Friedhof Seegasse sofort auf. Laut einer Geschichte wollte eine jüdische Hausfrau vor dem Sabbat, dem Ruhetag, einen Fisch zubereiten. Als sie ihn gerade töten wollte, öffnete er den Mund und betete das "Kadisch", das jüdische Totengebet. Daraufhin hatte sie Mitleid: Er kam nicht in den Kochtopf, sondern in die Badewanne.

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"Wahrscheinlicher ist, dass es sich um einen kleinen Brunnen handelte. Der Tote gilt als unrein. Daher gibt es den Brauch, sich nach einem Friedhofsbesuch vor der Rückkehr in die Welt der Lebenden die Hände zu reinigen", berichtet Walzer. Das Totengedenken findet daher eher in der Synagoge oder zu Hause statt.

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Der Grabstein wird übrigens erst ein Jahr nach dem Begräbnis im Zuge einer feierlichen Zeremonie in die Erde gesteckt. Das hat auch praktische Gründe: Davor ist das frisch gegrabene Erdreich noch zu locker - der Stein könnte umfallen.

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Im neunten Bezirk gibt es einige Prominentengräber berühmter Rabbiner. Dort sind auch immer wieder Kerzen und Blumen zu finden.

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Am Grabstein findet sich in der Regel Name, Beruf und Rolle des Einzelnen in der Gemeinde.

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Eigentlich gilt ein Bilderverbot. Im oberen Bereich der Grabsteine fallen aber teilweise Symbole auf: Sie repräsentieren die Familien.

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Die Bilder symbolisieren zum Beispiel wieviele Söhne eine Familie hatte oder wie die Familie ihren Lebensunterhalt verdiente.

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Im Prinzip gilt aber, dass das Geld nicht in pompöse Grabmale, sondern in wohltätige Zwecke investiert werden sollte.

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Ein Grab erzählt eine besonders traurige Geschichte. Obwohl das Anbringen eines Menschenbildes am Grabstein verpönt war, wählte die Familie das Bild des Jona, der aus dem Wal stieg. Sie verloren ihre Tochter und versuchten sich vermutlich durch diese biblische Überlieferung zu trösten: So wie Jona wieder auftauchte, war die Hoffnung lebendig, dass das Kind zurück kehren könnte.

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Die Fragmente einiger mittelalterlicher Grabsteine haben ihren Platz in der Mauer des Friedhofs gefunden: als steinerne Zeugen der jüdischen Geschichte in Österreich. (Julia Schilly, derStandard.at, 30. Oktober 2010)

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