Nach einer 24-Stunden-Fristverlängerung bis Freitag 9 Uhr früh von Seiten der Stadt Wien packen die Mitglieder des Wagenplatzes Hafenzufahrtsstraße ihre Habseligkeiten und ziehen mit ihren mobilen Behausungen friedlich ab

Die meisten Anhänger sind bereits vollgestopft mit allerlei Sachen für die Übersiedlung - nächster Halt ist der bereits existierende Wagenplatz in der Lobau, für den auch ein offizieller Mietvertrag mit der Stadt abgeschlossen wurde. Dass es dort mit den Wägen, die jetzt noch dazu kommen, recht eng wird, ist allen Mitgliedern klar - dennoch wollen sie in der Lobau zumindest einmal den kommenden Winter verbringen.

Foto: mob/derStandard.at

Seit Mittwoch gibt es nun auch eine schriftliche Aufforderung der Stadt Wien, dass die Wagengruppe ihren Standplatz verlassen muss: "Die MA 69-Liegenschaftsmanagement, als Eigentümervertreterin der Stadt Wien, fordert Sie hiermit auf, die im Betreff genannten städtischen Grundflächen sofort zu räumen. Sämtliche Fahrnisse sind zu entfernen und die Fläche entsprechend zu säubern."

Foto: mob/derStandard.at

Eigentlich hätte der Platz bis Donnerstag um neun Uhr morgens geräumt sein sollen. Nach Interventionen der Gruppenmitglieder und der Grünen konnte wenigstens ein 24-Stunden-Aufschub erreicht werden.

Foto: mob/derStandard.at

"Gestern nach 21 Uhr haben wir einen Anruf von Herrn Schlesinger aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Ludwig bekommen, dass die Frist verlängert wurde", erzählt Oliver von der Wagenburg-Gruppe. "Nur was an der ganzen Sache übersehen wird: Wir machen das ja nicht zum Spaß, sondern haben auch etwas Anderes zu tun, wie Job oder Studium."

Foto: mob/derStandard.at

Da die Räumung nun friedlicher als erwartet vonstatten geht, gab es heute auch keinen Polizeigroßeinsatz wie vergangene Woche in der Baumgasse, wo mindestens 60 Bedienstete vor Ort waren. Eine Entwicklung, die gar nicht so fein für die Publicity der Gruppe Hafenstraße war, denn als diese Meldung an die Medien weitergeleitet wurde, hatten TV-Stationen und Zeitungen plötzlich kein Interesse mehr an Beiträgen.

Foto: mob/derStandard.at

Für Oliver, der die Situation in der Lobau genau kennt, schwingt hinter den zwei Räumungsaktionen in der vergangenen Woche auch sehr viel Kalkül der Stadtpolitik mit: "Im Endeffekt würden sie uns am liebsten alle zusammen in ein gemeinsames Wintergehege pferchen."

Foto: mob/derStandard.at

Aber auch am Standplatz Lobau, für den 800 Euro Miete pro Monat zu bezahlen sind, ist die Situation mit der Stadtregierung nicht ganz fritktionsfrei, nachdem dort vor zwei Wochen direkt an der Grundstücksgrenze der Wagenburgmenschen eine Riesenbaustelle eröffnet wurde. "Wir wurden zu keiner Sekunde darüber informiert, obwohl das seit drei Jahren geplant war. Die haben rund um unser Gelände tatsächlich einen Wildtierzaun angebracht - das stand auf den Verpackungen drauf", so Oliver.

Foto: mob/derStandard.at

Von Seiten der Politik möchte man hingegen darauf hinweisen, "dass die Stadt Wien - und hier vor allem auch die politisch Verantwortlichen - alternativen Wohn- und Lebensformen grundsätzlich offen und auch positiv gegenüber steht. Aus diesem Grund war die Stadt Wien auch über viele, viele Monate bemüht, in Abstimmung mit den Mitgliedern der Gruppe Wagenplatz entsprechende Alternativstandorte zu finden und somit auf legaler und gesetzeskonformer Basis das Leben in dieser alternativen Wohnform möglich zu machen", wie es aus dem Büro von Wohnbaustadtat Michael Ludwig heißt.

Foto: mob/derStandard.at

Allerdings wird im Stadtratsbüro ebenso betont: "So wie für jede Form des Wohnens muß der rechtskonforme Zustand gegeben und die Beeinträchtigung Dritter ausgeschlossen sein. Dies gilt für alternative Wohnformen genauso, wie für Bewohner einer Kleingartensiedlung, einer städtischen Wohnhausanlage oder eines privaten Zinshauses. Zudem ist ein Standort (ein Grundstück) notwendig, der die entsprechende Rechtsgrundlage (Widmung) aufweist und die Erfüllung allgemein gültiger rechtlicher Voraussetzungen (Bauordnung etc.) ermöglicht."

Foto: mob/derStandard.at

Weiters heißt es: "In weiterer Folge gilt die Herstellung des rechtskonformen Zustandes als selbstverständlich. Zudem ist die Zurverfügungstellung einer adäquaten und den Voraussetzungen entsprechenden Liegenschaft, wenn sich diese im Eigentum der Stadt Wien befindet, ausschließlich über eine Anmietung zu den allgemein gültigen Konditionen möglich. Seitens der Stadt Wien werden generell keine sogenannten Prekariumsverträge abgeschlossen."

Foto: mob/derStandard.at

Und: "Bis zum heutigen Tag gibt es lediglich eine Liegenschaft, die diese Anfordernisse erfüllt. Dabei handelt es sich um ein Grundstück der Stadt Wien. Dieses wurde von Mitgliedern des Wagenplatzes Lobau angemietet. Damit ist es nach monatelangen Bemühungen auch gelungen, die Realisierung eines Wagenplatzes auf legale Art zu ermöglichen."

Foto: mob/derStandard.at

Sowie: "Selbstverständlich ist es auch möglich, weitere Wagenplätze in Wien zu realisieren. Dies jedoch nur dann, wenn die "Wagenplatzbewohner" über ein adäquates Grundstück verfügen und die oben angeführten Voraussetzungen erfüllt werden."

Foto: mob/derStandard.at

Für Oliver von der Wagenburg Hafenstraße stellt sich die Lage allerdings anders dar: "Wir hatten hier nie ein Problem, weder mit Nachbarn, noch mit den Baustellenleitern - im Gegenteil, die meisten waren sogar interessiert an unser Lebensform. Aber wenn wir uns an die Regeln halten und niemanden damit schaden, warum lässt man uns nicht? Da bleibt uns dann als Alternative nur mehr Besetzen übrig."

Foto: mob/derStandard.at

Was von der Wagenburg Hafenstraße übrig bleiben wird, sind viel verbranntes Holz, eine gehörige Portion Wehmut der Mitglieder und die Erinnerung daran, dass ein Lagerfeuer mit eigener Hollywoodschaukel im Grünen doch etwas von einer speziellen Lebensqualität bietet. (mob, derStandard.at, 28.10.2010)

Foto: mob/derStandard.at