Erst die Spiele, dann das Wohnen: Das nunmehr dritte olympische Dorf in Innsbruck zeichnet sich durch seine Passivhausqualität aus. Insgesamt werden 13 Wohnwürfel errichtet. (Rendering: Arge Reitter / Eck & Reiter)

Rendering: Arge Reitter / Eck & Reiter

Dorfmitte: Der Hauptplatz in der Mitte des neuen olympischen Dorfs wird von Anna Detzlhofer gestaltet. (Foto: Arge Reitter / Eck & Reiter)

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Am 12. Dezember 2008 gab das Internationale Olympische Komitee bekannt, dass Innsbruck die Winter Youth Olympic Games (YOG) 2012 austragen wird. Um den erwarteten 1700 Jungathleten und Betreuern ein Dach über dem Kopf zu bieten, wird auf 26.000 Quadratmetern Fläche ein Olympisches Dorf errichtet. Der Spatenstich erfolgte im Dezember 2009, die Fertigstellung ist für Ende 2011 geplant.

Das Konzept ist einfach: Anstatt temporäre Unterbringungsmöglichkeiten zu bauen, errichtet der gemeinnützige Bauträger Neue Heimat Tirol (NHT) 444 Miet- und Eigentumswohnungen, die in der Tiroler Landeshauptstadt ohnedies dringend benötigt werden. Viele Wohnbauten stammen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren und sind auf dem heutigen Wohnungsmarkt unattraktiv, bisweilen sogar sanierungsbedürftig. Bevor die neu geschaffenen Wohnungen jedoch an die zukünftigen Bewohner übergeben werden, dienen sie vom 13. bis 22. Jänner 2012 als interimistische Wohnstätte für die Sportler.

"Das olympische Dorf ist ein gelungenes Beispiel für Zusammenarbeit und Synergie", sagt Klaus Lugger, Geschäftsführer der NHT. "Politiker, Grundstückseigentümer und Planer haben alle an einem Strang gezogen. Deswegen, und nur deswegen, war es auch möglich, das Bauvorhaben dermaßen schnell auf Schiene zu bringen." Vom Grundstückskauf - die NHT erwarb die Parzelle der ehemaligen Eugenkaserne für rund 14,1 Millionen Euro - bis zum Baubeginn vergingen acht Monate.

"Es musste Schlag auf Schlag gehen", sagt Lugger. Um den Prozess zu beschleunigen, gab es sogar einen eigenen Ministerratsbeschluss. Demnach musste die bestehende Eugenkaserne nicht versteigert werden, wie das üblicherweise vorgeschrieben ist, sondern konnte direkt verkauft werden. Das hat wertvolle Zeit gespart. "Ich kann mich erinnern, dass die Behörden uns am Anfang ständig nachtelefoniert haben! Wo gibt's das schon? Normalerweise ist es umgekehrt."

Durch das Zusammenspiel von Wohnen und Olympiade erhofft sich die Politik einen großen Wirtschaftsimpuls: "Das Wohnprojekt auf dem Areal der ehemaligen Eugenkaserne eröffnet die Möglichkeit, das Gebiet entlang der Sill bis zum Bereich der Einmündung in den Inn komplett neu zu gestalten und für die Bevölkerung ein Freizeitparadies zu schaffen", erklärt Christine Oppitz-Plörer, Bürgermeisterin von Innsbruck. Die Baukosten für das multifunktionale Wohnprojekt belaufen sich auf 61,6 Millionen Euro. Damit zählt das Projekt zu den größten Innsbrucker Wohnbebauungen der letzten Jahre.

Passivhaus für Olympia

"Die Zwischennutzung als Wohnheim für die Athleten der Winterspiele ist natürlich ein großartiger Synergieeffekt", meint auch Helmut Reitter. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Eck & Reiter und der Architekturwerkstatt din a4 ging der Innsbrucker Architekt aus einem Wettbewerb unter 15 geladenen Teilnehmern hervor. "Unser Fokus lag aber eindeutig auf der nachhaltigen Nutzung als Wohnanlage. Schließlich gehen wir davon aus, dass die Häuser die nächsten hundert Jahre stehen bleiben."

Für die erwünschte Langlebigkeit der 13 kompakten Wohnwürfel sorgt die Passivhausqualität. Errichtet in Stahlbeton mit entsprechend dicken Wandstärken, mit Drei-Scheiben-Verglasung sowie mit kontrollierter Wohnraumbelüftung mit Wärmerückgewinnung, sollen die 444 Wohneinheiten mit einem jährlichen Heizwärmebedarf unter 10 Kilowattstunden pro Quadratmeter auskommen.

"Diese Technologie ist heute bereits Standard. Doch das wirklich Außergewöhnliche daran war der Planungsprozess", sagt Reitter. In einem umfassenden Wochenend-Workshop setzten sich Planer unterschiedlicher Disziplinen an einen Tisch und schufen gemeinsam die Basis für das Bauvorhaben an der Sill. "Das Geheimnis eines guten Projekts ist die Kommunikation. Der Architekt ist in diesem System zwar ein wichtiges, letztendlich aber nur kleines Zahnrad unter vielen."

Die Nutzung der 13 Würfelhäuser ist wild durchmischt. Ein Kubus beherbergt betreutes Wohnen sowie die neue Polizeiinspektion Reichenau. In jeweils zwei Würfeln sind Eigentums- und Mietkaufwohnungen untergebracht. Die restlichen acht Kuben schließlich sind mit geförderten Mietwohnungen bestückt.

"Das Hauptaugenmerk lag bei diesem Projekt auf der sozialen Durchmischung", sagt NHT-Chef Lugger. "Auf diese Weise wollten wir der Ghettoisierung, wie sie im sozialen Wohnbau immer noch viel zu oft anzutreffen ist, bereits in der Planungsphase entgegenwirken."

Bereichert wird das Wohnprojekt der NHT durch eine Filiale der Lebensmittelkette M-Preis, die in den nächsten Jahren auf dem Nachbargrundstück errichtet wird, sowie durch Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum. Zwei Drittel der Wohnungen sind bereits vergeben. Die monatlichen Mietkosten belaufen sich auf rund sieben Euro brutto pro Quadratmeter.

Ausmalen und reparieren

Und was sagen die Mieterinnen und Mieter zu dem ihnen bevorstehenden Zweitbezug? "Die Zwischennutzung als Wohnheim für die Jugendlichen während der YOG 2012 ist offen kommuniziert", erklärt Lugger, "von Zweitbezug kann aber keine Rede sein." Vor der Übergabe an die YOG werden die Wohnungen nur einmal ausgemalt, der zweite Anstrich erfolgt erst nach Ende der Spiele. So konnten die Baukosten clever gestaffelt werden.

"Natürlich werden sich in der einen oder anderen Wohnung ein paar Kids einbilden, dass sie in der Badewanne unbedingt Eishockey spielen müssen", so Lugger. Für solche Fälle von Vandalismus und Abnutzung ist ein eigenes Budget vorgesehen: "Die Reparaturarbeiten werden ein paar Wochen dauern. Die Kosten dafür werden sich auf 300.000 bis 350.000 Euro belaufen." Das sind rund 0,5 Prozent des gesamten Baubudgets. Lugger: "Billiger kann man eine intelligente Zusammenführung zweier Projekte nicht haben."  (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.10.2010)