Viele Wiener stöhnen unter steigenden Wohnkosten. Aber ein Blick in andere Städte sollte sie eines Besseren belehren.

15 Prozent seines verfügbaren Einkommens muss der durchschnittliche Wiener für 35 m² Wohnfläche aufwenden, sagt der Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm. In Berlin beträgt dieser Anteil 18 Prozent, in Amsterdam 21, in Kopenhagen 23 Prozent. Spitzenlagen kosten in Wien zwölf Euro Quadratmeter-Miete.

"In Kopenhagen oder Amsterdam sind es 16 bis 22 Euro, in Paris oder London 32 bis 36 Euro", sagt Wurm. "Der Wiener Wohnungsmarkt ist sehr günstig im internationalen Vergleich."

Steigende Grundpreise

Günstige Wohnungen, so heißt es, bremsen auch die Mobilität der Bewohner, weil man eine billige Miete nicht gefährden will. Aber Wurm sieht das anders: "Der Wohnungswechsel ist in Wien recht einfach, die meisten suchen und finden Wohnungen im gleichen Gebiet wie bisher. In anderen Großstädten ist der Wohnungswechsel schwieriger, weil das Angebot nicht so groß ist. Da muss man Kompromisse eingehen, eine kleinere Wohnung oder eine schlechtere Lage akzeptieren."

Bedroht werde das gute Preis-Leistungs-Verhältnis in Wien allerdings durch die Bodenknappheit und daher steigende Grundstückpreise, warnt Wurm: "Wir müssen aufpassen, dass uns in Wien die Preise nicht davonlaufen."

Die Mobilität der Bewohner geht über die Stadtgrenzen hinaus und folgt dem Lebenszyklus, erläutert Günther Ogris vom Sora-Institut. "Mit 18 ziehen Jugendliche in die Stadt, mit 30 übersiedeln sie mit Familie an den Stadtrand oder ins Umland. Und wenn die Kinder 15 sind, kehrt man in die Stadt zurück." Die Rückwanderung vom Speckgürtel in die Stadt beginne heute schon im Alter von 45 bis 55 und nicht erst in der Pension. Ebenso wichtig wie das gute Preis-Leistungs-Verhältnis sei für die meisten die Wohnumgebung. "Und die kann man sich gut aussuchen", sagt Ogris.

Kluger Städtebau

Das Wohnumfeld sei auch Produkt des Wohnbaus, behauptet die Wiener Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka. Wo Wohnanlagen gebaut werden, entstünden zumeist auch die soziale und technische Infrastruktur sowie Grünflächen mit Freizeitwert. "Standortqualität hat sehr viel mit klugem Städtebau zu tun", sagt sie.

Was Wien von anderen europäischen Städten unterscheide, sei die Tatsache, dass der gewöhnliche Wohnbau eine architektonische Qualität und eine Ausstattung vorweise, die anderswo ein nur im Luxussegment zu finden seien, sagt Jilka. "Balkon, Loggia, integrierte Küchen, Kinderspielräume, Saunen, Partyräume, Radabstellplätze - das wird alles bei uns als normal angenommen."

Für Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft der Privatangestellten, ist auch das bereite Angebot im geförderten Wohnbau entscheidend für den effizienten Wohnungsmarkt.

"Es ist gelungen, Wohnungslosigkeit in großem Stil zu vermeiden. Die Menschen müssen für das Wohnen nur einen geringen Anteil ihres Einkommens aufbringen und haben daher mehr für den Konsum übrig." Gerade die letzten Krisenjahre hätten die Stärken des Systems gezeigt. "Es hat fast keine Delogierungen gegeben." Allerdings räumt auch Gehbauer ein, dass im geförderten Wohnbau die Spannungen steigen, "zwischen Arm und Reich, In- und Ausländern, Mietern und Eigentümern. Wir werden sehen, wie sich das in Zukunft entwickeln wird".

Eigentum ohne Förderungen

Einen anderen Weg beschreitet Jörg Wippel, Chef des privaten Bauträgers WVG, der ohne Förderung preislich attraktive Wohnungen errichtet. Dies sei möglich, weil sich die WVG auf Eigentumswohnungen in großvolumigen Anlagen in Bezirken wie dem 20. oder 22. konzentriert, wo es sonst fast nur Mietwohnungen gibt. "Wir bauen nicht in Hietzing oder Döbling; dort sind die Baulose klein, und das Risiko durch Einsprüche der Anrainer ist groß", sagt Wippel. "Wir befriedigen eine säkulare, partielle Nachfrage. "

Durch den Verzicht auf Förderung könne er schneller bauen und den Verwaltungsaufwand niedrig halten. Seine Standards in Bezug auf Energieeffizienz und Einrichtung entsprächen jenen der geförderten Wohnungen, die bei den meisten frei finanzierten Wohnbauten mangels Kundeninteresses nicht erreicht werden. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.10.2010)