Cartoon: STANDARD/Oliver Schopf

"Das hat Klasse", verkündet der glückliche Familienvater in der TV-Werbung, der dank eines Lotteriegewinnes in einem Schloss leben kann. Schlösser bietet der geförderte Wohnbau zwar nicht, aber Experten sind sich einig, dass in kaum einer anderen Großstadt Europas die Mittelschicht mit so hoher Qualität wohnt wie in Wien. Wenn die Bundeshauptstadt seit mehreren Jahren in Umfragen als lebenswerteste Stadt der Welt für internationale Manager ausgezeichnet wird, dann spielt auch die Wohnqualität - und nicht nur im Luxusbereich - eine Rolle und hilft, Unternehmen und Investoren anzuziehen.

Aber welche? Ist der Wohnbau im Standortwettbewerb der Städte eine Attraktion, die über Betriebsansiedelungen Wertschöpfung und Arbeitsplätze schafft, oder bloß eine nette Nebensache ohne bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen? Dieser Frage ging das 38. Standard-Wohnsymposium, das gemeinsam mit dem Fachmagazin Wohnen Plus organisiert wurde, vergangene Woche in Wien nach.

Weiche und harte Faktoren

Die fast durchgängige Antwort der Referenten und Diskutanten: Wohnqualität ist in erster Linie ein "weicher Faktor", der zwar Zufriedenheit, aber zunächst noch keine Jobs schafft. Indirekt schlägt sich allerdings ein funktionierender Wohnungsmarkt mit leistbaren Mieten und einer Durchmischung, dank derer soziale Spannungen verringert werden, auch in harten Fakten wie Investitionen und Wachstum nieder.

Das im europäischen Vergleich immer noch sehr günstige Wohnkostenniveau in Wien führe dazu, dass Menschen mehr Geld für andere Konsumgüter zur Verfügung hätten, betont Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen. In Städten mit teuren Mieten wie etwa in München müssten Arbeitgeber höhere Gehälter bezahlen, um das gewünschte Personal anzuziehen.

Und Wurm weiter: "Gerade in der Wissensgesellschaft sind die Jungen mobiler und können aus verschiedenen Jobangeboten auswählen. Bei gleichwertigen Angeboten ist die Qualität von Stadt und Wohnungsmarkt ein wichtiger Entscheidungsfaktor."

In dieselbe Kerbe schlägt auch der Europaabgeordnete Hannes Swoboda (SPÖ), einst Wiener Planungsstadtrat, im Gespräch mit der Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer: "Der Wohnbau ist entscheidend dafür, dass die qualifizierten Leute, die wir angesichts der niedrigen Geburtenraten in Zukunft brauchen werden, aus einer Stadt nicht abwandern."

Zuwanderung und Jobs

Kaum eine andere Stadt Europas verzeichnet ein so rasches Bevölkerungswachstum wie Wien, berichtet Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka. Für 15.000 bis 20.000 Personen müsse jedes Jahr neuer Wohnraum geschaffen werden - 80 Prozent davon im geförderten Bereich. "Ohne den Wohnbau hätte Wien viel weniger Arbeitsplätze im Baugewerbe, in Architektenbüros, bei Wohnungsverwaltern", verweist sie auf die indirekten Folgen für die Beschäftigung durch Zuwanderung und Wohnbau.

Und wie Josef Papousek, Chef von Mercer Austria, und die Personalchefin der Erste Bank, Sabine Mlnarsky-Bständig, berichteten, sei die hohe Wohnzufriedenheit von höheren Angestellten und Managern in Wien zwar kein Grund, eine Konzernzentrale hierher zu übersiedeln, mache es aber besonders leicht, Mitarbeiter zu entsenden oder zu rekrutieren. "Lebensqualität ist ein wesentlicher Faktor für die Mobilität von Mitarbeitern, und da liegt Wien an der Weltspitze", sagt Papousek mit Hinweis auf die alljährliche Mercer-Studie.

Was Wien in dieser Hinsicht so attraktiv mache, betont Jilka, seien nicht nur die hohen Standards in den meisten Wohnungen, sondern auch die praktische und lebenswerte Wohnumgebung in fast allen Bezirken: kurze Wege, eine gute öffentliche und gewerbliche Infrastruktur sowie ein von überall leicht erreichbarer Grünraum.

Eine gute Wohnpolitik fördere auch den sozialen Frieden in einer Stadt. "Wohnzufriedenheit hilft, Aggressionen abzubauen", sagt Jilka. Dass bei den jüngsten Wiener Wahlen dennoch die fremdenfeindlichen Kräfte deutlich zugelegt hätten, ändere nichts daran, dass das Konzept der sozialen und kulturellen Durchmischung in Wien, dank dessen eine Ghettobildung wie in anderen europäischen Städten verhindert werden konnte, unerlässlich sei - dies war der Tenor des gesamten Symposiums, einschließlich der traditionellen Tischgespräche.

Sex, Fußball und Wohnen

Zum Stellenwert des Wohnens zitiert Sozialforscher Günther Ogris vom Sora-Institut Internet-Umfragen, wonach Sex und Fußball als die beiden wichtigsten Nebensachen wahrgenommen werden. Beides sei allerdings nur durch gutes Wohnen gewährleistet, ist Ogris überzeugt: "Beim Wohnen geht es um Einkommen und Liebe. Bietet die Wohnung und die Umgebung genug Raum für die Liebe und genug Rasen, damit die Kinder Fußball spielen können? Das bindet die Gesellschaft zusammen." Sein Resümee: "Wohnqualität ist die wichtigste Nebensache der Welt." (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.10.2010)