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Grigol Waschadse, Außenminister von Georgien seit zwei Jahren, gelernter Jurist und Diplomat aus Sowjetzeiten, will "ohne Bedingungen, jederzeit, an jedem Ort" mit Moskau verhandeln.

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Auch mehr als zwei Jahre nach dem Südkaukasus-Krieg, in dem die Armee Russlands rund zwanzig Prozent des Territoriums seines Nachbarlandes Georgien besetzt hat, geht im Vermittlungsprozess zwischen den beiden Ländern in Genf nach wie vor (fast) nichts. Die Regionen Südossetien und Abchasien bleiben isoliert, die Grenzen geschlossen.

Russland will, dass die Georgier sich "mit den neuen Realitäten abfinden", was Georgien kategorisch ablehnt - es ist aber zu "Verhandlungen ohne Vorbedingungen jederzeit und an jedem Ort bereit". EU und Uno bemühen sich vergeblich, den Sechs-Punkte-Plan von August 2008, der unter anderem eine Rückkehr der Flüchtlinge vorsieht, zu beleben.

Die Beziehungen zu Moskau "könnten schlechter nicht sein", sagte der georgische Außenminister Grigol Waschadse noch vor kurzem. Dennoch zeigt er sich im Gespräch mit dem Standard in Brüssel überzeugt davon, dass sich das zum Positiven verändern könnte: "Die Lage ist für uns sehr schmerzlich. 500.000 Menschen sind vertrieben aus ihrem eigenen Land", erklärt er, "aber auch für Russland selbst ist sie unangenehm. Es hat in Georgien ein Problem für ganz Europa geschaffen." Dies habe zur Folge, dass alle russischen Bemühungen um eine stärkere globale Rolle und mehr Unterstützung durch die Europäer davon getrübt seien: "Russland will in die Welthandelsorganisation WTO, verletzt aber selber die Regeln; Kamerad Medwedew (der russische Präsident, Anm.) wirbt für eine neue europäische Architektur für Sicherheit und Stabilität; der Flugverkehr über Georgien ist für Moskau gesperrt, die Eisenbahn fährt nicht nach Süden", sagt Waschadse. "Wenn man das alles zusammenzählt, wird eines klar. Georgien bleibt ein Stolperstein. Auch wenn es um den Aufbau eines sicheren, demokratischen und prosperierenden Kaukasus geht."

Intimer Moskaukenner

Letzteres liege in Russlands ureigenem Interesse. "Es will ja selber Vermittler sein zwischen Europa und dem Osten. Aber was ist das für ein Vermittler, wenn er selber solche Probleme mit einem winzigen Nachbarn hat?", fragt der Außenminister, um die Antwort gleich selber zu geben: "Russland wird sich bewegen." Es gebe "keine Alternative zum Dialog". Bei der Einschätzung kann sich Waschadse auf eigene intime Kenntnis des Innenlebens der russischen Diplomatie ("Sie ist hart, aber pragmatisch") stützen. Im georgischen Tiflis in Sowjetzeiten geboren, absolvierte er Universität und Diplomatische Akademie in Moskau, arbeitete in der 1980er-Jahren im sowjetischen Außenamt in Abteilungen für Internationale Organisation, Weltraumforschung und Nuklearwaffen. Er spricht neben vier anderen Sprachen perfekt russisch, war Doppelstaatsbürger, bis er Ende 2009 russischen Pass und Nationalität aus Protest direkt an Medwedew zurückschickte.

Als Beleg dafür, dass sich etwas bewege, sieht er die Gespräche von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Kanzlerin Angela Merkel und Medwedew in Deauville vor einer Woche. Dabei war die Einladung Russlands zum Nato-Gipfel Ende November in Lissabon fixiert worden. Die Georgien-Frage habe dabei "einen substanziellen Zeitraum" eingenommen, erklärt er, Details will er nicht nennen.

Sein Land werde jedenfalls die Anstrengungen um Kooperation mit der Nato und dem Ziel des Beitritts "entschlossen" fortsetzen. Ähnliches gelte für die EU: "Wir wollen alle vier Grundfreiheiten übernehmen, in zwei Jahren das Partnerschafts- und Assoziationsabkommen abschließen, wollen alles übernehmen, außer die Institutionen", sagt Waschadse. Also zunächst kein EU-Beitritt.

Da Georgien auch als Schlüsselland für die Energieversorgung in Europa aus dem kaukasischen Raum gilt, sieht der Außenminister auch die Unterstützung des Beitritts der Türkei zur EU als logisch an: "Wir sind 150-prozentig dafür. Das bringt Europa näher zu uns."

Grigol Waschadse, Außenminister von Georgien seit zwei Jahren, gelernter Jurist und Diplomat aus Sowjetzeiten, will "ohne Bedingungen, jederzeit, an jedem Ort" mit Moskau verhandeln. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2010)