Wien - Der Traum scheint ausgeträumt: Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) gab unlängst bekannt, dass es aus Kostengründen kein eigenständiges Museum der Kulturen geben werde. Die Völkerkunde, die mit der Volkskunde hätte fusioniert werden sollen, habe weiter Teil des Kunsthistorischen Museums zu sein.

Was vom Prozess der letzten zwei Jahre bleibt, ist ein monströser Scherbenhaufen: Die verpackte Sammlung des Museums für Völkerkunde kann sicher noch lange nicht besichtigt werden. Und das Volkskundemuseum darbt weiter im längst sanierungsbedürftigen Palais Schönborn.

Die Ursache für die verfahrene Situation liegt schon länger zurück: 2001 übernahm das KHM unter Generaldirektor Wilfried Seipel nicht nur das Theatermuseum, dessen Bestände zum Großteil aus der Nationalbibliothek stammen, sondern auch das Museum für Völkerkunde im Corps de Logis der Neuen Hofburg. Dieses war bis 1928 die ethnographische Abteilung des Naturhistorischen Museums gewesen.

Die mühsam errungene Unabhängigkeit aufgeben wollte man in den beiden Museen nicht. Aber Seipel argumentierte bei der damaligen Kulturministerin Elisabeth Gehrer, dass sie als ausgegliederte Anstalten nicht überlebensfähig seien. Mit Erfolg. Tatsächlich aber sicherten die beiden Museen das Überleben des mit finanziellen Problemen kämpfenden KHM: Die Basisabgeltung schnellte durch die Übernahmen von 14,35 Millionen Euro (im Jahr 2000) auf deren 20,34.

Das Corps de Logis nach der Renovierung rasch wieder einzurichten war nicht im Sinne des KHM: Ein Vollbetrieb hätte mehr Geld benötigt, als man bereit war, zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter des Völkerkundemuseums wurden immer frustrierter. Ihrem Ärger Luft zu machen, wurde ihnen aber strikt verboten.

Im Jahr 2008 nahmen die Probleme des Volkskundemuseums mit der von der Stadt Wien angemieteten Liegenschaft, die man laut Vertrag instand zu setzen hat, zu. Man suchte daher nach einem Ausweg. Die Idee einer Fusion mit der Völkerkunde war zwar nicht neu: Ende 2004 hatte Seipel angeboten, auch die Volkskunde einzugliedern. Doch die Aufgabe der Autonomie kam nicht infrage.

Doch nun, im Frühjahr 2009, schien die Zeit reif für ein Museum der Kulturen, das die außereuropäische Völkerkunde mit der zentraleuropäischen Volkskunde in Beziehung setzt. Und Michael Franz, zuvor eher glücklos agierender Leiter der Kultursektion, unterstützte das Projekt: Unter Peter Menasse als Moderator wurde ein Konzept für ein unabhängiges "Museum neu" ausgearbeitet.

Der von Franz einberufene Lenkungsausschuss stimmte dem Konzept zu. Diesem gehörte auch die KHM-Leitung an. Man sah wohl ein, dass die Ethnologie nicht Teil der Kunstgeschichte ist. Zudem war es Sabine Haag wichtiger, die Kunstkammer wieder zugänglich machen zu können. Vom Ministerium auch die Einrichtung des Corps de Logis finanziert zu bekommen, schien unwahrscheinlich. Freudig konnte Franz daher seiner Ministerin mitteilen, dass alle Beteiligten den Plan "Museum neu" gutheißen würden: "Beide Museen werden dadurch wieder handlungsfähig."

Franz nannte Schmied aber grotesk niedrige Investitionskosten (fünf Millionen Euro in den Jahren 2009 bis 2013 und weitere fünf Millionen 2014), obwohl die Kostenschätzungen bei 22 bis 24 Millionen lagen. Hätten sich die ehemaligen Bankmanager im Kulturministerium, darunter auch Claudia Schmied, eher mit den Zahlen auseinandergesetzt: Man hätte sich den Scherbenhaufen erspart. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2010)