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Ray Ozzie sagt zum Abschied die Zukunft voraus

Foto: AP Photo/Nick Ut

Microsoft-Visionär Ray Ozzie hat in einem Memo ("Dawn of a New Day") seinen Konzern öffentlich dazu aufgefordert, sich von seinen Wurzeln (Windows und Office) zu lösen und sich eine Welt nach dem PC vorzustellen - eine Welt voll einfacher, global einsetzbarer Web-Geräte.

Ozzie, der kürzlich seinen Rücktritt als Technologiechef bekanntgab, verleiht damit seinem ersten Aufruf zur Hinwendung zum so genannten Cloud-Computing vor fünf Jahren Nachdruck. Der Software-Gigant solle sich eine Zukunft vorstellen, in der Simplizität der Schlüssel sei.

Mobiles Comeback

Der merklich emotionale Aufruf erfolgt in einer Zeit, in der Microsoft nach langjährigem Scheitern mit dem neuen Mobile-Betriebssystem Windows Phone 7 wieder eine tragende Rolle am boomenden Smartphone-Markt spielen möchte.

"Lasst uns diesen 5-Jahres-Meilenstein markieren, indem wir ein weiteres Mal furchtlos ins Auge fassen, was technologisch unumgänglich ist", so Ozzie. Die nächsten fünf Jahre würden eine Transformation mit sich bringen, die zu noch unvorhersehbaren Möglichkeiten und Chancen führe. Der Marktwandel zu Apps und Infrastruktur sei unumgänglich, wenngleich er gerade erst begonnen habe. In der Zukunft würden Nutzer Zugang zu permanent verfügbaren Diensten haben, über Geräte, die von Grund auf im Hinblick auf Anwendungen designt wurden. "Diese sind sofort nutzbar, austauschbar und einfach zu ersetzten", ohne den Verlust von Inhalten und Diensten befürchten zu müssen.

Hinter Konkurrenz zurückgefallen

In seinem Memo übt Ozzie auch reichlich Selbstkritik und betont, dass Microsoft in vielen Bereichen hinter die Konkurrenz zurückgefallen ist. Ohne konkret Firmen zu nennen, lobt Ozzie die "nahtlose Fusion von Hardware und Software und Services" konkurrierender Hersteller. Für Branchenbeobachter sei aber klar, dass damit insbesondere Apple, Google oder auch Facebook gemeint sind, die mit iPhone, Android und Web-Angeboten die gepriesene Verschmelzung von Endgeräten, Anwendungen und Diensten bereits erfolgreich umsetzen konnten. "Jene, die sich eine plausible Zukunft vorstellen können, die intelligenter ist als die Gegenwart, werden die Chance bekommen zu führen."

Vergesst den PC

Anstatt einer technologischen Welt, die auf PCs und Software basiert, fleht Ozzie Microsoft an, sich eine Cloud-basierte Welt vorzustellen. "Heutige PCs, Handys und Tablets sind nur der Anfang. Wir werden Jahrzehnte der unglaublichen Innovationen erleben, aus denen alle möglichen Arten von 'connected companions' hervorgehen werden", meint Ozzie.

Damit prognostiziert Ozzie seinem Konzern gleichzeitig eine besonders schwierige Zukunft. Denn obgleich Cloud-Anwendungen und mobile Endgeräte Wachstum bringen würden, sind Microsofts Einnahmen aktuell immer noch zu 80 Prozent auf die traditionellen Produkte Windows und Office zurückzuführen. Die beschworenen Zukunftsbereiche führen heute andere Unternehmen an.

Kein Nachfolgevisionär

Ray Ozzie setzt mit seinem zweiten "Call to Action" einen Brauch fort, den Microsoft-Gründer Bill Gates 1995 in den Konzern eingeführt hatte. In seinem damaligen Memo "Internet Tidal Wave" forderte er sein Unternehmen dazu auf, das Internet ins Zentrum all seiner Bemühungen zu stellen. Die Stelle des "Chief Technologie Officer" wird nach Ozzies Abgang laut CEO Steve Ballmer nicht nachbesetzt. (zw)

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