Die Schultern vom Spitz sind in etwa so breit, wie er groß ist. Christopher Spitzenberger ist nicht nur x-facher Wiener Mannschaftsmeister im Gewichtheben und bald Weltmeister im Stoßen, Schupfen, Reißen und Blaumeisen zwicken, sondern auch einer der besten Tourenfahrer. Ihn zog ich für den Vergleichstest Multistrada gegen Stelvio zu Rate.

Foto: Gluschitsch

Nach einer ersten Sitzprobe ist für ihn sofort klar, zu welchem Motorrad er greift: zur Stelvio. „Die Ducati ist mit ihrer Sitzhöhe von 850 Millimeter zwar nur um einen Zentimeter höher als die Stelvio, aber durch die breite Sitzbank spreizt es meine Haxen so blöd, dass ich nicht einmal mit beiden Fußspitzerln gleichzeitig runterkomme."

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Der Spitz ist schon in früher Jugend nicht so gewachsen - aber absichtlich, damit er beim Gewichtheben die Stangen nicht so hoch reißen muss. Bei Tourenmotorrädern ist deshalb die Sitzhöhe eher ein Kriterium für ihn als das Gewicht.

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Die 251 Kilogramm, die die Stelvio fahrfertig wiegt, entlocken ihm keinen Seufzer. Ich steig da lieber auf die Multistrada, die es trocken auf unter 190 Kilogramm bringt. Der Stelvio sieht man neben der Multistrada den Hüftspeck auch sofort an, obwohl der Tank der Multistrada um zwei Liter mehr Sprit fasst, als das 18-Liter-Fass der Stelvio. Aber die Guzzi schaut einfach massiver und robuster aus, die Multistrada hingegen macht einen auf sportlichen, italienischen Macho.

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Der italienische Macho ist von der Kraft her aber der Spitz. Der desmodromisch gesteuerte 90-Grad-V2 mit 1198 Kubikzentimeter der Multistrada leistet aber auch stolze 150 PS. Dagegen ist die Stelvio mit ihren 105 PS, ebenfalls aus einem 90-Grad-V2, der aber quer eingebaut ist, ein zahmes Lamperl.

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Aber nur im Vergleich, denn der Spitz sagt ganz klar: „Bei der Stelvio ist‘s vollkommen wurscht, in welchem Gang du gerade bist. Wenn du ans Gas gehst, schiebt die mit einer stoischen Ruhe, aber der Vehemenz eines Presslufthammers an, dass es eine Freude ist." Beim Drehmoment liegen dann keine Welten mehr zwischen den beiden Italo-Tourern: 118 Newtonmeter hat die Ducati, 108 die Moto Guzzi.

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Die Ducati schiebt da natürlich ganz anders an. 150 PS sind die neue Messlatte in dem Segment. Dreht man am Gasgriff, zweifelt man daran, auf einem Tourer zu sitzen und fühlt sich wie auf einem Supersportler - wenn man auch angenehm aufrecht sitzt.

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Wem die 150 PS zuviel sind, etwa in der Stadt, wählt einfach den Fahrmodus City, und die Multistrada spinnt sich mit 100 PS so sanft wie eine Seidenraupe durch die Straßen. Aus vier Fahrmodi kann man wählen: Sport, Touring, City und Enduro. Je nach Wahl werden Leistung, Gasannahme, Fahrwerk und Traktionskontrolle wie ABS angepasst.

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Die Guzzi kommt da mit weit weniger Elektronik aus. Sie hat einen Schalter, mit dem man das ABS abdreht, und einen Knopf, mit dem man zwischen den Darstellungsmodi des Displays wechselt. Die Multistrada hingegen hat nicht einmal ein normales Zündschloss. Den Schlüssel erkennt das Motorrad selbstständig, wenn man ihn eingesteckt hat und lässt sich dann starten. Der Blinkerschalter ist der Joystick, mit dem man sich durch die unzähligen Spielereien arbeiten kann.

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„Ich brauch das ganze elektronische Zeug nicht", sagt der Spitz, „mir ist ein ehrliches Radl lieber. Weil, was machst denn, wenn dir das Teil auf einer Tour spinnert wird? Wo greifst an? Geschweige denn, wer kann dir das wieder richten?" Auch Leute mit Leseschwäche sollten sich vor der Ducati hüten. Das Handbuch wird sonst zur Jahreslektüre.

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Auf der Straße taugt dem Spitz der Antritt der Ducati schon, am Schotter verweigert er aber die Testrunde: „Bist narrisch? Weißt eh, dass ich mit den Füßen nicht runterkomme. Wenn die zu kippen anfängt, kann ich sie nie dahalten.

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Für den Schaden, der allein beim Umfallen entsteht, müssen normale Leute sicher länger als einen Monat arbeiten. Die Handguards mit dem integrierten Blinker sind ja sehr fesch, aber beim ersten Bodenkontakt zerspringt dir das Ganze in tausende Dinger."

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Speichenräder hat nur die Guzzi, wie auch nur sie über Kardan angetrieben wird. Und am Schotter hat sie auch klar die Nase vorne. Auf der Guzzi steht man viel besser als auf der Ducati, die dafür sichtlich nicht gebaut ist. Zwar kann man bei der Ducati die Gummieinsätze aus den Fußrasten lösen - fährt man stehend, kommt man trotzdem nur unter Verrenkungen an die Fußbremse.

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Das Ergebnis des Vergleichs ist damit so klar, dass es eindeutiger nicht sein könnte. Die Ducati ist, ab 16.995 Euro, eine Rennmaschine, die bei Touren auf festen Straßen Stelvio, GS und Tiger ganz alt aussehen lässt und sich mit den Supersportlern misst, während die Stelvio, ab Aktionspreis 14.999 Euro, auf Abenteuer-Touren die Nase so weit vorne hat, dass die Ducati nicht einmal deren Staub in den riesigen Frontrüssel kriegt.

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So sieht das auch der Spitz und verabschiedet sich mit den Worten: „Ich fahr noch eine Runde und stell dir die Guzzi in ein paar Stunden wieder her, bevor ich zum Gewichtheber-Training muss."

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