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Ein Mann deckt seinen toten Bruder zu, der im Norden Haitis an der Cholera gestorben ist. Hilfsorganisationen befürchten, dass sich die Krankheit rasch ausbreiten könnt

Foto: EPA/Casares

Port-au-Prince - 1,5 Millionen Menschen, die in Zeltstädten ohne Kanalisation leben, und tödlicher Brechdurchfall - Haiti droht eine neue Katastrophe. In dem Inselstaat ist die Cholera ausgebrochen. Im Verlauf des Wochenendes starben mehr als 220 Menschen, fast 3000 wurden in Spitälern behandelt.

Die meisten Menschen erkrankten im Norden der Insel in und um die Stadt St. Marc, 60 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Port-au-Prince. Die Behörden fürchten nun, dass die Krankheit sich ausbreiten und die Hauptstadt erreichen könnte. Ein dreiviertel Jahr nach dem Erdbeben ist die Stadt immer noch zerstört, hunderttausende Menschen leben in und um Port-au-Prince in Zelten.

Erste fünf Fälle

Laut New York Times wurden am Wochenende bereits die ersten fünf Cholera-Fälle in der Stadt entdeckt. Die Patienten waren alle aus St. Marc angereist. "Die Fälle wurden sehr schnell diagnostiziert und isoliert", sagte Imogen Wall von den vereinten Nationen.

"Bei einer Sitzung der zuständigen Stelle der UNO wurde uns aber mitgeteilt, dass die Lage rasch sehr gefährlich werden kann", erzählt Johannes Carniel vom Hilfswerk Austria International, der sich seit Mai in Haiti aufhält, im Standard-Gespräch.

Flüchtlingslager unter Wasser 

Ein Problem sei das Wetter. "Seit Mai habe ich bisher keinen großen Unterschied zwischen Regen- und Trockenzeit festgestellt. Zwei Tage in der Woche regnet es, teilweise wirklich sehr, sehr stark. Die Zelte in den Flüchtlingslagern sind dann überschwemmt." Da es in vielen Lagern noch immer nur Latrinen gibt vergrößert das die Gefahr.

Seit Monaten warnten Hilfsorganisationen vor Krankheiten, die sich durch verschmutztes Trinkwasser ausbreiten. Auf einen Cholera-Ausbruch war jedoch niemand vorbereitet, da die Krankheit seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr in Haiti aufgetreten ist.

Derzeit gibt es laut Hilfsorganisationen noch genügend Trinkwasser und Medikamente, um die Kranken zu versorgen. Mehr Hilfsmittel werden eingeflogen, da die Organisationen damit rechnen, dass sich die Krankheit rasch ausbreiten wird. Mit einer Kampagne soll die Bevölkerung nun dazu gebracht werden, sich immer die Hände zu waschen, nachdem sie die Toilette benutzt haben.

Patienten verdursten

Cholera überträgt sich über Wasser, dass mit menschlichen Fäkalien verschmutzt ist, oder über Obst und Gemüse, das mit verschmutztem Wasser gewaschen wird. Die Bakterien führen zu Durchfall und Erbrechen, Kranke verlieren bis zu 20 Liter Flüssigkeit am Tag und verdursten. Nach schneller Diagnose kann die Krankheit jedoch mit Antibiotika gut behandelt werden.

Jedes Jahr erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit drei bis fünf Millionen Menschen an Cholera, 100.000 bis 120.000 sterben. 2010 gab es bisher Ausbrüche in Kamerun, Tschad, Niger, Nigeria und Pakistan, Papua-Neuguinea, und Sambia. (Michael Möseneder, Tobias Müller, DER STANDARD Printausgabe, 25.10.2010)