Eine historisch wertvolle Vertäfelung aus dem 1938 abgerissenen Wiener Palais Paar: bei der Pariser Galerie Steinitz im Messeangebot in München.

Foto: Steinitz, Paris

Letztes historisches Fotodokument der prachtvollen Rokoko-Boiserien: Einer der Prunkräume des 1938 abgerissenen Palais Paal, ehemals Wollzeile 30.

Foto: Galerie Steinitz

5. Jänner 1769: Rechnung für die Fertigung der Holzvertäfelung ("Boiserie"), unterzeichnet vom Architekten Isidor Canevale (Entwurf) und dem Bildhauer Johann Georg Leithner (Ausführung).

Foto: Galerie Steinitz

Mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 20. Jänner 1923 fing alles an. Die Gemeindebauten der Sozialdemokraten bedurften einer Finanzierung, und in der Wohnbausteuer fand man eine sprudelnde Quelle. Sie wurde die bekannteste der insgesamt 18 vom damaligen Finanzstadtrat Hugo Breitner konzipierten Abgaben, die vor allem auf den Luxuskonsum zielten. 1927 summierten sich diese Einnahmen auf 65 Millionen Schilling. Das entsprach etwa 36 Prozent der Wiener Steuereinnahmen oder 20 Prozent der Gesamteinnahmen der Stadt.

Betroffen davon waren Familien wie die der Fürsten Paar, die vorwiegend in ihren böhmischen Landschlössern weilten, und das um 1630 erbaute Stadtpalais in der Wollzeile 30 nur mehr sporadisch nutzten. Die Innenausstattung des Barockbaus wurde von 1765 bis 1771 von Isidor Canevale, einem französischen Architekten, modernisiert.

Wärmedämmung à la Rokoko

Zu den damals charakteristischen Elementen gehörten aufwändig geschnitzte und vergoldete Wandvertäfelungen, die nach ihren Vorbildern im französischen Schlossbau benannten Boiserien. Als praktische Wärmedämmung ging ihr Nutzen weit über die bloße Zierde hinaus.

Canevale – nach seinem Entwurf entstand 1783-84 der Narrenturm und zeitgleich (bis 1785) das Josephinum – lieferte das Design, die Ausführung oblag dem Bildhauer und Holzschnitzer Johann Georg Leithner. 150 Jahre später klopfte der Fiskus an die Türen des herrschaftlichen Palais, und Alois Paar drohte wegen „Unternutzung" eine saftige Abgabe. Das Familienoberhaupt ließ die prachtvolle Vertäfelung kurzerhand abmontieren und nach Böhmen bringen. Das damit für Wohnzwecke unbrauchbare Gebäude stand leer, begann zu verfallen und wurde trotz heftiger Bürgerproteste 1938 abgerissen.

Die Spur der kostbaren Täfelung aus den Repräsentationsräumen verlor sich. In den 50er-Jahren tauchten Teile auf, die die Familie Niarchos in das Hotel de Chanaleilles (Paris) einbauen ließ. Eine weitere Gruppe, aus zwei Räumen des Palais, erwarb Sir Philip Sassoon und montierte sie auf die Wände seiner Residenz in der Londoner Park Lane. 1963 wechselten diese Boserien neuerlich den Besitzer und fanden über eine Widmung im Metropolitan Museum in New York eine endgültige Heimat.
Der Rest? Man weiß es nicht. Manches überdauerte die Jahrzehnte in Privatsammlungen verborgen. Und in einer solchen fand Benjamin Steinitz, Spross der renommierten Pariser Kunsthandlung, vor kurzem weitere Ensembleteile. Vor wenigen Tagen wurde diese jetzt nach München ins Haus der Kunst transportiert.

Dort kann sie die Öffentlichkeit nun erstmals – womöglich auch ein letztes Mal – seit ihrer Ausführung im Zuge der „Highlights Internationale Kunstmesse München" (22. 10. – 1. 11) in den von Röbbig und Steinitz präsentierten Epochenräumen bewundern. Der Kreis der potenziellen Käufer wird überschaubar bleiben. Solche historischen Interieur-Juwelen haben ihren Preis – 5,5 Millionen Euro, um genau zu sein. (Olga Kronsteiner, ALBUM/DER STANDARD – Printausgabe, 23./24. Oktober 2010)