Wilhelm Marhold und Michael Heinisch diskutierten

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STANDARD: Die Gesundheitskosten explodieren, auch Spitäler werden immer teurer. Warum?

Marhold: Eines vorweg: Die Zeiten, in denen die Spitalskosten um zehn Prozent pro Jahr gestiegen sind, sind vorbei. Im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) stehen wir bei vier bis sechs Prozent. Wenn man das in Relation zur Inflationsrate von 1,5 zu zwei Prozent setzt, ist es eine verhältnismäßig normale Entwicklung. Mir fällt auch nicht ein, was in den letzten Jahren anderswo billiger geworden wäre.

Heinisch: Im Spital setzen sich die Kosten aus ganz anderen Faktoren als in anderen Wirtschaftsbereichen zusammen. Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren haben die neuen monoklonalen Antikörper die Medikamentenkosten steigen lassen. Doch unsere Onkologen waren sich einig, dass sie wirklich etwas bringen, also mussten wir unsere Budgets aufstocken.

Marhold: Mittlerweile hat sich das relativiert, außerdem wurde damit auch die Chemotherapie optimiert, und Patienten können diese Medikamente heute zu Hause einnehmen und müssen nicht im Spital bleiben. Wir mussten mehr Ambulanzen und Tageskliniken einrichten. Diese Art von Dynamik unterscheidet das Management eines Spitals von anderen Wirtschaftszweigen. Aber ganz generell ist es so: Medizin birgt Effizienzsteigerungen in sich, und Fortschritt hat viel mit Technologie zu tun. Das Tempo auf diesem Gebiet ist enorm, wir müssen ihn nutzen. Effizienzsteigerung durch neue Technologien ist ein Credo unseres Managements.

STANDARD: Spezialisierung ist ein vieldiskutiertes Thema. Wie stehen Sie dazu?

Heinisch: Das ist unser Weg, allerdings ist er oft nur auf sehr steinigem Weg zu erreichen.

STANDARD: Inwiefern?

Heinisch: Bis vor ein paar Jahren gab es in Linz zwei Krankenhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft: die Barmherzigen Brüder und die Barmherzigen Schwestern, und beide betreuten teilweise dieselben Patientengruppen, hatten also die gleichen Abteilungen, die sich historisch so entwickelt hatten. Wir standen vor der Aufgabe, Doppelgleisigkeiten abbauen. Das war ein schwieriger, siebenjähriger Prozess. Man musste organisch gewachsene Abteilungen auflösen.

STANDARD: Ist es gelungen?

Heinisch: Am Ende schon. Jedes Spital hat in diesem Prozess sein klares medizinisches Profil entwickelt, die Barmherzigen Brüder sind ein "Krankenhaus der Sinne", weil dort alle entsprechenden Fächer, also Augen, HNO und Neurologie untergebracht sind, die Barmherzigen Schwestern haben ihren Schwerpunkt auf Onkologie, Kardiologie und Orthopädie. Darüber hinaus nutzen beide Häuser nun Infrastruktur gemeinsam, etwa Küche oder Labor. Es gab viele Hürden, aber die Mühe hat sich gelohnt. Beide Häuser sparen auf diese Weise fünf Millionen Euro pro Jahr. Das bescheinigen uns Wirtschaftsprüfer.

Marhold: Die Strategie des KAV ist Zentralisierung. Wir haben uns vor vielen Jahren entschieden, große Krankenhäuser zu schaffen und kleine zu schließen. In jedem Haus gibt es heute fachliche Schwerpunktsetzungen, und natürlich nutzen wir auch in den Bereichen, die ich als Support bezeichne, Synergien. Die Speisenversorgung wurde zentralisiert, auch die Ver- und Entsorgung oder die sterile Aufbereitung wurde zusammengezogen. Der Prozess der Zentralisierung ist im öffentlichen Bereich brutaler als anderswo, denn wir müssen den Versorgungsauftrag für die Bevölkerung ja weiter gewährleisten.

STANDARD: Was sind die größten finanziellen Posten in einem Spital?

Marhold: Die Personalkosten - und zwar für 24 Stunden in allen Fachrichtungen. Sie machen zwischen 64 bis 66 Prozent der Gesamtkosten aus, und ich muss mich mit der Gewerkschaft einigen. Arzneimittelkosten sind überschätzt und liegen bei zwölf bis 15 Prozent, im KAV sind sie beispielsweise seit 2007 um 1,5 Prozent gesunken. Alle drei bis fünf Jahre gibt es wesentliche Innovationen bei den Geräten, auch da muss man mitziehen, vor allem in der universitären Spitzenmedizin. In anderen Häusern tauschen wir die Geräte alle fünf bis sieben Jahre aus. Spitäler sind ein Wirtschaftsfaktor. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Wien ist im Spitalumfeld.

STANDARD: Dominieren politische Überlegungen auch Fragen der Wirtschaftlichkeit?

Marhold: Wir in Wien haben ein klares Konzept. Effizienz ist kein Gegenspieler. Das Kontrollamt bescheinigt uns auch effizientes Wirtschaften. Was jeder Politiker wissen sollte: Veränderungen im Spitalsbereich brauchen Zeit. Kommunikation ist in solchen Prozessen ein entscheidender Faktor, vor allem intern.

STANDARD: Wie ist das in den Bundesländern?

Heinisch: Von Bundesland zu Bundesland ist es eine andere Herausforderung. Wir sind in Wien und Oberösterreich Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung und erfüllen einen öffentlichen Versorgungsauftrag. Wir hängen immer von den Ländern ab, weil sie das stationäre Gesundheitswesen steuern. Unser Ziel als Ordensspital ist es, uns überall abzustimmen und mit dem allgemeinen Bedarf zu verzahnen. In Wien betreiben wir kleinere Spitäler, in Oberösterreich Schwerpunktkrankenhäuser.

Marhold: Solche Fragen sind im regionalen Strukturplan jedes Bundeslandes geregelt. Dahinter liegen klare versorgungstechnische Überlegungen.

Heinisch: Wir waren bei der Ausarbeitung des Wiener Strukturplans dabei. Für die Vinzenzgruppe ist neben den Krankenhäusern auch die Pflege ein wichtiges Thema. Ich denke, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen besser als bisher zusammenarbeiten müssen. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben das nicht. Wir betreiben zum Beispiel in Wien-Gumpendorf ein Krankenhaus, daneben ist eine Altenheim. Es wäre naheliegend, dass die Versorgung von unseren Ärzten mit-übernommen wird. Das dürfen sie aber nicht, außer im Notfall. Solche Art von Bestimmungen sind wenig patientenfreundlich, Langzeitpflege ist ein überaus wichtiges Thema, das der Gesetzgeber besser regeln muss.

STANDARD: Ist Spezialisierung im Krankenhausbereich ein Trend?

Heinisch: Neben dem öffentlichen Versorgungsauftrag spezialisieren wir uns da, wo es Bedarf gibt, in Wien etwa in der Palliativmedizin und bei psychosomatische Erkrankungen wie Essstörungen.

STANDARD: Wie steht der KAV zu Kooperationen?

Marhold: Positiv, wenn sie sinnvoll sind. Bei der Dialyse ist es uns wunderbar gelungen. Wir hatten einen Engpass, haben dann aber trägerübergreifend eine Struktur geschaffen und ein Zentrum errichtet, das die Barmherzigen Brüder betreiben. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen. Dort, wo Kosten für Gesundheit im Spitalswesen anfallen, sollten wir sie nicht hin- und herschieben, sondern gemeinsam tragen.

STANDARD: Entsteht dadurch nicht auch Konkurrenz?

Heinisch: Wettbewerb dient normalerweise dazu, erfolgreicher als andere zu sein. Im Spitalsbereich werden aber keine Gewinne ausgeschüttet, sondern es geht um eine gute Versorgung. Für uns in der Vinzenzgruppe geht es vor allem um Qualität. Da investieren wir viel Energie.

STANDARD: Kommunizieren Sie sie an die Patienten?

Heinisch: Ja, tun wir. Einstweilen geht es darum, Leistungen messbar zu machen. Das ist im Falle von Krankheit und Therapie nicht einfach. Zuerst sollen Ärzteteams unterschiedlicher Krankenhäuser voneinander lernen können. In der Folge kann man Systeme optimieren. Und vor allem sollten Patienten die Möglichkeit haben, sich eine Meinung über die Qualität eines Hauses zu bilden.

Marhold: Qualität messbar und darstellbar machen kostet gewaltige Anstrengungen. Dem KAV ist es gelungen, die europäische Auszeichnung "Committed to Excellence" der EFQM (European Foundation for Quality Management) zu erhalten. Es ist wichtig, um Bedarf zu eruieren. Unserer Erfahrung nach sind zufriedene Patienten immer die beste Werbung.

STANDARD: Inwiefern sollten sich Spitäler und Ärzte draußen besser koordinieren?

Marhold: Wenn der Wiener Schmerzen hat, geht er ins Spital. Das wird niemand ändern können. Die Ambulanzen sind ab Freitag, 16 Uhr, voll. Das müssen wir als Spitalsmanager akzeptieren und Versorgung sicherstellen. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 25./26.10.2010)