Die Enttäuschung der SPÖ am Wahlabend war groß, hatte die Bürgermeister-Partei doch darauf gehofft, wieder die absolute Mehrheit der Stimmen zu erreichen. Sie verlor mehr als vier Prozent und es war klar, dass sie sich für die nächste Legislaturperiode einen Koalitionspartner suchen müsste. Die Grünen hingegen, die nur auf Platz 4 landeten und ebenfalls Stimmen einbüßten, gaben sich von Anfang an optimistisch. Durch das schlechte Abschneiden der ÖVP und der SPÖ waren ihre Chancen, eine Koalition mit den Roten eingehen zu können, plötzlich realistischer als je zuvor. 

Von Anfang an pochten sie auf die Zusammenarbeit mit der SPÖ. Mit dem heutigen Tag scheinen sie ihrem Ziel einen entscheidenden Schritt näher zu sein. Bürgermeister Michael Häupl verkündete, in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen zu treten. Ein erster Erfolg für die Ökopartei, die jetzt allerdings ihr Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen muss.

Auch für die SPÖ könnte das rot-grüne Projekt zu einem Erfolgsprojekt werden. Es besteht die Möglichkeit, eine Koalition mit Innovationscharakter zu etablieren. Viele Gesichter werden nach Wien blicken, um sich das Modell Rot-Grün anzusehen. Es wäre erstmalig in Österreich der Fall, dass sich SPÖ und Grüne zusammentun.

Doch warum hat sich Häupl für das vielzitierte "Schreckgespenst" Rot-Grün entschieden? Zum einen war es so, dass die Basis - die SPÖ-Jugend und die Bezirksvertreter - stark darauf pochten. Zum anderen hat er sich wahrscheinlich überlegt: Will ich als einer in die Geschichte eingehen, der für die SPÖ die Absolute Mehrheit verloren hat oder als einer, der für die Stadt Wien ein neues, eventuell erfolgreiches Modell, etablieren konnte? Er hat sich für zweitere Variante, den mutigeren Weg entschieden. 

Doch Vorsicht: Fix ist es ja noch nicht, dass die rot-grüne Koalition auch tatsächlich zustande kommt. Jetzt stehen Verhandlungsrunden an und es bleibt abzuwarten, ob die Roten und Grünen bei Streitthemen wie Umwelt oder Verkehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen. 

Schon einmal waren die Grünen einer Koalition sehr nahe. 2002 verhandelten sie auf Bundesebene mit der ÖVP. Eine Koalition schien greifbar zu sein. Doch die Grünen mussten sich letztendlich geschlagen geben, da die Forderungen der ÖVP zu hoch waren - vor allem für die Basis der Grünen. Danach ging es ganz schnell und Schwarz-Blau war beschlossene Sache. 

Dass Häupl einen ähnlichen Plan hegen könnte, um doch eine schwarz-rote Koalition einzugehen, wäre aber zu weit hergeholt. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 22.10.2010)