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Die chronische Entzündung bringt den Patienten in eine Juck-Kratz-Spirale.

Foto: APA/Oliver Berg

Der Winter ist für viele Neurodermitiker eine unerfreuliche Jahreszeit. Tagsüber ist es draußen meist kalt und trocken und in Innenräumen sorgen Zentralheizungen für wenig Luftfeuchtigkeit. All das tut der Haut der Patienten nicht gut. Erkrankungsschübe sind in dieser Jahreszeit deshalb vorprogrammiert.

Die Neurodermitis, auch atopische Dermatitis genannt, ist eine chronisch rezidivierende entzündliche Erkrankung. Die Ursachen sind nicht vollständig eruiert. „Zur genetischen Prädisposition müssen exogene Faktoren kommen, die dann zum Ausbruch der Erkrankung führen", weiß Clemens Rappersberger, Vorstand der Dermatologischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien. 15-24% der Gesamtbevölkerung in den Industrienationen besitzen diese genetischen Voraussetzungen, rund 2,5% bekommen auch eine atopische Dermatitis. Die meisten Menschen erkranken im Kindesalter und häufig verschwinden die Symptome mit dem Beginn der Pubertät.

Schubhafter Verlauf

Was die Haut eines Neurodermitikers schmerzlich vermisst, sind Fette und antientzündliche Stoffe. Das macht das größte Organ dieser Menschen anfällig, denn ihre Fähigkeit Wasserverlust und das Eindringen externer Reizstoffe zu verhindern, ist empfindlich gestört „Deshalb kommt es auf der Haut dieser Patienten leicht zu Infektionen", weiß Rappersberger. Durch den permanenten Juckreiz gerät der Betroffene in einen Teufelskreis. Denn das Kratzen als Reaktion ist seinerseits ein starker Entzündungsreiz.

Typisch für den Krankheitsverlauf: Akute Schübe und Phasen ohne sichtbare Ekzeme wechseln einander ab. „Auch eine Haut die völlig normal aussieht, ist bei Patienten, die unter Neurodermitis leiden, nicht normal", erklärte Rappersberger gestern Rahmen des Journalisten-Workshops „Hautsache gesund" in Wien. Ein Grund mehr die Patienten auch in schubfreien Intervallen zu therapieren. Seit Mai 2009 ist die Tacrolimus-Salbe als Erhaltungstherapie von der europäischen Arzneimittelbhörde EMEA zugelassen.

Schwierige Therapie

„Die Neurodermitis wird in Bezug auf die Lebensqualität, von den Patienten als besonders schlimm empfunden wird", betonte der Dermatologe und diverse Studien geben ihm dabei recht. Tatsächlich ist der negative Einfluss der Erkrankung so groß, dass sogar Vergleiche mit Krebs, Diabetes und chronischen Nierenerkrankungen gezogen werden. Dazu kommt: Neurodermitis ist unheilbar. Das klingt auf den ersten Blick besonders frustrierend, ist es jedoch nur zum Teil. „Diese Hauterkrankung ist wunderbar behandelbar, mit der Einschränkung dass die Therapie schwierig ist", so Rappersberger.

Goldstandard in der Lokaltherapie der Neurodermitis ist nach wie vor Cortison, das sich vor allem bei sehr heftigen Schüben bewährt. Allerdings ist die Behandlung mit Cortison laut Rappersberger nicht ganz unproblematisch: „Erstens lässt die Wirkung mit der Zeit nach und es bedarf daher immer stärkerer Kortikosteroide. Und das zweite Problem ist das sogenannte Rebound-Phänomen, das infolge eines abrupten Abbruchs der Behandlung entsteht". Die richtige Anwendung dieser hochpotenten antientzündlichen Substanz ist also entscheidend. Die allgegenwärtige Corticophobie rührt laut Rappersberger daher, dass Cortison entweder falsch oder missbräuchlich angewendet wird.

Beschwerdefreien Zustand erhalten

Sind die Schübe nicht ganz so ausgeprägt, dann bieten sich seit einigen Jahren topische Calcineurin-Inhibitoren (TCI), zu denen auch die Tacrolimus-Salbe zählt, an. Sind die sichtbaren Symptome abgeheilt, dann wurde bis vor kurzem die Behandlung unterbrochen. Mit diesem meist kurzfristigen Erfolg gibt man sich heute jedoch nicht mehr zufrieden. Der beschwerdefreie Zustand soll den Patienten so lange wie möglich erhalten bleiben. Rappersberger empfiehlt daher eine langfristige Erhaltungstherapie mit den topischen Calcineurin-Iinhibitoren. Zweimal pro Woche wird die Substanz auf die zuvor betroffenen Hautstellen aufgetragen. Das verzögert folgende Ekzemschübe und bringt Patienten beschwerdefrei durch den Winter. (derStandard.at, 22.10.2010)