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Die Shanghaier Morgenzeitung Zhenbao recherchierte im Milieu der Dokumentenfälscher, welche Falsifikate bei ihnen hoch im Kurs stehen. Die verblüffende Antwort: Scheidungsurkunden.

Fünf einschlägige Anbieter behaupteten, dass ihr Geschäft mit solchen gefälschten Papieren seit dem 7. Oktober boomt. An dem Tag trat eine neue Verordnung der Schanghaier Stadtregierung in Kraft. Um der Immobilienblase und faulen Bankkrediten entgegenzuwirken, schränkte Schanghai für seine Bürger den Kauf von privatem Wohnungseigentum mit zinsgünstigen Bankkrediten ein. Familien durften ab sofort nur noch eine Eigentumswohnung oder ein Haus zusätzlich kaufen, ordnete die Metropole an.

Viele Schanghaier Ehepaare kauften sich aber weiter Zusatzwohnungen als Geldanlage und erhielten auch die Bankkredite dafür. Sie unterlaufen das Verbot als geschiedene doppelte Antragssteller. 40 Euro kostet eine täuschend echt wirkende Scheidungsurkunde. Auch andere Metropolen scheiterten mit administrativen Mitteln die Immobilienspekulation einzuschränken. Daher setzt Peking schließlich den marktwirtschaftlichen Hebel an.

So zumindest erklärten Analysten die überraschende Erhöhung des Leitzinses durch die chinesische Zentralbank in dieser Woche. Es war die erste Erhöhung seit 2007. Ausleihungen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank verteuerten sich um 0,25 Prozent. Steigt der Leitzins, werden Kredite teurer. Das wiederum dämpft die Nachfrage, was Wachstum und Preisanstieg dämpfen kann. Weitere Erhöhungen werden folgen, prognostiziert der Schanghaier Finanzanalyst Yang Hongxu. Mit dem Drehen an der Zinsschraube versuche Peking sein Ziel von zehn Prozent Wachstum bei drei Prozent Inflation im heurigen Jahr zu halten.

Neue Wachstumsdaten deuten auf sanfte Landung

Am Donnerstag sah es so aus, als würde das klappen: Der überhitzten Wirtschaft scheint die sanfte Landung tatsächlich zu gelingen, zumindest zeigen das die neuen Wachstumsdaten aus Peking. Im dritten Quartal 2010 fiel das Wachstum auf 9,6 Prozent. Der BIP-Zuwachs lag damit im heurigen Jahr erstmals unter zehn Prozent. Der Wachstumsrückgang war nach den auslaufenden staatlichen Sonderkonjunkturprogrammen und den 2010 um ein Viertel reduzierten Kreditvergaben erwartet worden.

Auch wenn die chinesische Regierung angibt, das Inflationsziel von drei Prozent halten zu können, macht die Teuerung den Menschen immer stärker zu schaffen. Im September erhöhten sich die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent. Besonders verteuert haben sich Lebensmittel: Die Gemüsepreise stiegen im September um etwa 18 Prozent, die für Getreide um zwölf Prozent.

Angetrieben wird die Inflation von der rasanten Binnennachfrage. Im Einzelhandel stiegen die Umsätze in den ersten neun Monaten des Jahres um 18 Prozent.

Motoren der Binnennachfrage bleiben langfristige Konsumgüter wie Möbel, Haushaltselektronik und Fahrzeuge. Insgesamt wurden 13,39 Mio. Fahrzeuge in den ersten neun Monaten 2010 in China hergestellt, das ist ein Zuwachs um 35,3 Prozent gegenüber 2009. Auch wenn das Wachstum bei der Autoproduktion zuletzt abschwächte, bauen immer mehr Autohersteller, darunter auch die deutschen Marktführer VW, Audi, Mercedes und BMW, ihre Kapazitäten in China aus. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2010)