Ich glaub, ich spinne. Eine Frau, alt genug, um ihre Enkel auf Knien anzuflehen, sich mit dem Taschengeld kein Motorrad zu kaufen, bleibt mitten am Zebrastreifen stehen. Sie schaut auf die Super Ténéré, nickt anerkennend und geht dann weiter.

Eine Kreuzung weiter fällt der Lkw-Fahrer schon fast aus seinem Führerhäusl, weil er sich so weit raus lehnt, damit er auch wirklich alles von der Super Ténéré sieht. Bei der Busstation zeigen die Buben mit dem Finger auf die hochgestelzte Yamaha, und ein rosafarbenes Bündel in einem Kinderwagen winkt der Super Trätärä zu.

Foto: Yamaha

Das sind allein die Reaktionen auf den paar Kilometern bis zu Stadtgrenze. Natürlich glaubt da ein wenig gefestigter Mensch, er hat sich heute vielleicht versehentlich die Hosenträger über der Kombi angezogen, oder aufmunternde Pickerl am Helm. Aber nichts dergleichen. Der Magnet ist wirklich die Yamaha Super Ténéré.

Eh zu recht, muss ich sagen. Die große Yamaha ist ein fesches Radl und steht sauber her. Im feschen Kleidchen und mit zwei gleich großen Augen versucht sie, den Karl Dall der Groß-Enduros vom Thron zu stoßen. Aus dem 1199 Kubikzentimeter großen Parallel-Twin holt sie 110 PS – also genau so viel wie die GS aus dem Boxer. Die Bayrische hat etwas mehr Drehmoment, aber mit ihren 114 Newtonmeter steht die Super Ténéré auch mit mächtig breiten Schultern da.

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Beim Handling auf der Straße braucht sie sich nicht hinter der GS zu verstecken. Zwar ist der Lenker ungewöhnlich schmal, aber daran gewöhnt man sich rasch. Beim Einlenken braucht man keinen größeren Hebel, der einen breiteren Lenker rechtfertigen würde. Bereitwillig geht sie ums Eck, und sie lässt sich forsch durch schnelle Kurven dirigieren. Aber auch wenn es ganz eng und heikel wird, mockt die Super Ténéré nicht herum, sondern lässt sich auch im Stehen auf Lenkeranschlag im Kreis fahren. Auf engen Straßen ist das ein echter Pluspunkt, wenn man die Dicke nicht zehn Mal vor und zurück fahren muss, möchte man umdrehen.

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Um ein Motorrad am Lenkeranschlag immer noch sauber fahren zu können, ist es schon gut, wenn die Reiben ausbalanciert ist. Sonst wird das richtige Belasten der Rasten schnell zum Drahtseilakt. Die Super Ténéré ist da ein echtes Vorzeige-Motorrad, weil mit ihr auch ein Trialstopp bei der Ampel über zwei, drei Sekunden genauso kompliziert ist wie ein Kochrezept für Eiswürfel.

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Im Offroad möchte ich mit der Schönen aber dann doch nicht wie der Böse wüten. Irgendwie schauen mir einige Details am Motorrad so zierlich aus, dass man fürchten muss, beim ersten Hoppala gleich einmal ordentlich aufgeräumt zu haben. Wer will schon statt mit Camelbag mit Schauferl und Beserl am Rücken ausrücken, wenn er ins Gelände fährt.

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Obwohl, wenn beim ersten Stolperer gleich ein paar Kilo Ténéré in der Taiga liegen bleiben, schadet das auch nicht, weil die ganzen 261 Kilogramm aufdazahn ist sonst auch schnell ein Geschäft für den Orthopäden. Vom Gewicht her liegt die Super Ténéré damit über der GS mit fahrfertigen 229 Kilogramm und sogar über der 251 Kilogramm schweren Moto Guzzi Stelvio.

Wie die Guzzi und die GS wird das Hinterrad der Yamaha auch über einen Kardan angetrieben. Das Zepter nimmt sie der Konkurrenz aber bei der Sitzhöhe ab. Die ist von 845 bis 870 Millimeter verstellbar. Nobel ist die Traktionskontrolle, die in drei Modi einstellbar ist, und dass ein Knopfdruck genügt, um zwischen der komfortableren Touring-Gasannahme und dem harscheren Sportmodus zu wechseln.

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Auf den ersten Blick unbescheiden gibt sich Yamaha bei der Preisgestaltung. 17.999 Euro überweist man dem Händler für die Super Ténéré. Das ist um 2.300 Euro mehr als für die GS in der Bassversion, und um 3.000 Euro mehr als für die nackerte Stelvio zum Aktionspreis. Rechnet man die Ausstattung der Super Ténéré in der First Edition auf die anderen auf, schaut die Sache schon anders aus: Gönnt man der Bayrischen die gleichen Schmankerl greift man nocheinmal tief in die Tasche und legt um ein paar Tausender mehr ab als für die Yamaha. Auch die Stelvio kraxelt mit einer ähnlicher Ausstattung im Listenpreis aufs Super Ténéré-Preisniveau.

Die große Yamaha ist eine wunderbare Big-Enduro, mit der die Sonntagsausfahrt schnell einmal zum Abenteuer-Urlaub werden kann. Außerdem hat man mit ihr ein elektronisch verfeinertes Motorrad, das sich optisch glänzend aus der GS-Masse erhebt und gefällt: Jungen, Alten, Frauen, Männern und Kindern.

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