Hoch bezahlte Aktienanalysten, die sich über ihre eigenen Empfehlungen krummlachen. Und die in E-Mails Anleger verspotten, die den bunten Hochglanzprospekten sogar Glauben schenken. Investmentbanker, die den Analysten auftragen, lasch dahindümpelnde Emissionen mit ein "bisschen Lippenstift" zu versehen. Bankenchefs, die Zurückstufungen, etwa von AT & T, verbieten, weil dann "andere Geschäftsinteressen" gefährdet wären.

Keine Ausnahmen, sondern schon fast eher die Regel an der Wall Street: So mancher lukrative Beratungsvertrag wurde mit geschönten Analysen erkauft. Der Pleite gegangene Energieriese Enron erhob das zum kunstvollen System: Selbst kleinste Übernahmen und andere Projekte wurden von unzähligen Investmentbanken "begleitet". Das Ergebnis: Noch am Tag der Konkurseröffnung stand Enron auf den Empfehlungslisten von 17 dankbaren Instituten. Die Investmentbanken kassierten dann immer doppelt: durch die lukrativen Beratungsaufträge und durch die Kaufprovisionen ihrer (hinters Licht geführten) Kunden, die viel Geld für wertlose Papiere ausgaben.

Selbstreinigungskraft begrenzt

Die Selbstreinigungskraft der Wall Street scheint allerdings begrenzt zu sein: Dass ein Skandal, der das Vertrauen der Anleger nachhaltig erschüttert haben muss, in einem Vergleich ohne Schuldanerkenntnis der Institute endet, muss zu denken geben. In ein paar Jahren, wenn die Details vergessen sind, werden die Banken zu Recht behaupten können, nie verurteilt worden zu sein. Und eine Zahlung von zusammen 1,4 Milliarden Dollar können sich die zehn Institute aus der Portokasse leisten.

Der außergerichtliche Vergleich zeigt einmal mehr, dass Frechheit siegt. Und Anlegerschutz auch an der größten Börse der Welt eine lästige Pflichtübung ist. (DER STANDARD, Printausgabe 30.4.2003)