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Der mündige Bürger macht seinem politischen Missmut immer häufiger im Internet Luft. Insbesondere auf Portalen wie Facebook sind Online-Demonstrationen in Mode. Die User teilen ihre Meinung gerne mit Gleichgesinnten, die sie in den sozialen Netzwerken schnell und zahlreich finden. So demonstrieren aktuell etwa mehr als 10.700 Facebook-Mitglieder - Tendenz stark steigend - gegen die österreichische Abschiebepolitik. Vom Bündnis für Menschenrechte & Zivilcourage (BMZ) werden sie aufgefordert, ein einheitliches Logo als Profilfoto hochzuladen, um ihren Protest sichtbar zu machen, "zumindest hier auf Facebook".

"Viele Bürger nutzen die neuen Medien aktiv, um sich am öffentlichen oder politischen Prozess zu beteiligen", sagt Rainer Gries, Propagandaexperte am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien, im Gespräch. "Dies geschieht im Interesse der Demokratie." Es ist zu begrüßen, wenn sich der Bürger selbstständig und eigenverantwortlich äußert - egal in welchen Medien, so der Fachmann. Allerdings sind die Inhalte und Mittel jeglicher Propaganda entscheidend.

Interessen gemeinsam artikulieren

"Propaganda ist eines der Mittel, um sich in Medien selbst zu verständigen", erklärt Gries. Im Zweiten Weltkrieg hat der Begriff einen negativen Anstrich erhalten. Die neue Bewegung einer "sozialen und medialen Entgrenzung" ist aber als positiv zu beurteilen. Bei Internet-Demos verschaffen sich die Teilnehmer ein Gemeinschaftsgefühl. Die Interessen, die sie vertreten, werden maximiert. "Das ist das Politikum und nicht, ob tatsächlich Politiker darauf aufmerksam werden", meint Gries. "So ist die Öffentlichkeit in der Lage, Interessen gemeinsam zu artikulieren - eine erhebliche Stabilisierung der Demokratie."

Sprachlosigkeit

"Unsere Wut und Trauer ist groß, unsere Ohnmacht macht uns sprachlos", heißt es im Aufforderungsschreiben zur Teilnahme an der Online-Demo gegen Abschiebungen vom BMZ. Zumindest regen derartige Aktionen jedoch den politischen Diskurs an, wie die in Kommentarform gehaltene breite Diskussion der Facebook-User verdeutlicht. "Es kommt zum intermedialen Diskurs", sagt Gries. Die von Internetnutzern in Online-Demonstrationen angeregten Debatten erreichen womöglich auch andere Medien und können - etwa im alltagspolitischen Entscheidungsprozess - tatsächlich spürbare Folgen haben.

Für das BMZ ist die Online-Demo "ein stiller Prozess gegen eine Entwicklung, die uns kurz ohnmächtig macht - aber nicht zum Schweigen und Stillhalten bringt". Informationen zu der Web-Aktion sind hier abrufbar. (pte)