NGO-Vertreter sprachen bei Bundespräsident Heinz Fischer (links) vor: Die gängige Abschiebepraktik bei Kindern müsse ein Ende haben, forderten sie.

 

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Der Anlass ist ernst, die Stimmung ist es auch. Die fünf Männer, die schweigend die mit rotem Teppich belegten Stufen hinaufgehen, sind gekommen, um den Präsidenten zu besuchen.

Die Flüchtlingshilfsexperten des Landes haben sich versammelt, um bei Heinz Fischer gegen die Abschiebepraxis der Innenministerin zu protestieren. Caritas-Präsident Michael Landau, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf Christian Moser, der Generalsekretär von Amnesty International Österreich Heinz Patzelt und Christian Fenninger von der Volkshilfe sind unzufrieden mit Maria Fekter (ÖVP). Die steht wegen ihrer nicht gerade sanften Abschiebemethoden in der Kritik.

Die Anlassfälle: Zwei achtjährige Mädchen wurden in der Früh von Polizisten mit Sturmgewehren aus ihren Betten gerissen, aufs Polizeirevier geschleppt und in eine Zelle gesteckt. Eine 14-Jährige sollte von Polizeibeamten aus ihrem Klassenzimmer geholt werden, ergriff die Flucht und war bis Donnerstagabend verschwunden.

Eine solche Abschiebepolitik steht einem Land mit humanen Standards nicht gut zu Gesicht, bemängeln die Vertreter der Menschenrechtsorganisationen. Und sie nahmen den Präsidenten und die 183 Nationalratsabgeordneten in die Pflicht. Sie forderten die Mandatare dazu auf, sich dafür einzusetzen, die Kinderrechtskonvention in die Verfassung aufzunehmen und eine Inhaftierung von Kindern unmöglich zu machen. "Es kann für die Sicherheit der Republik nicht notwendig sein, zwei Kinder von ihrer Mutter zu trennen und mit Gewalt außer Landes zu schaffen", heißt es in einem offenen Brief, der an die Parlamentarier versendet wurde und online nachzulesen ist.

Präsident Fischer zeigte sich mit seinen Gästen von Caritas, Diakonie, Amnesty, Volkshilfe und SOS-Kinderdörfern einig. "Für Kinder muss eine besondere Rücksichtnahme gelten. Sie haben in Gefängnissen nichts verloren", sagte er verärgert. Man müsse hier mit "größter Korrektheit und Bedachtnahme" handeln. Er verwies jedoch darauf, dass sich Fekter bereits einsichtig gezeigt hatte.

Weiters schloss sich der Bundespräsident der Forderung an, die UN-Kinderrechtskonvention rasch in die österreichische Verfassung aufzunehmen. "Ich unterstütze die Hauptziele der Anwesenden", sagte er. Caritas-Wien-Leiter Michael Landau hatte zuvor verlangt, die Kinderrechtskonvention müsse "endlich uneingeschränkt" in die Verfassung aufgenommen werden, sodass Minderjährigen in fremdenrechtlichen Verfahren umfassender Schutz zuteil werde: "Kinder gehören nicht ins Gefängnis." Diese Ansicht müsse "über alle Parteigrenzen hinweg Konsens werden".

Tatsächlich ist der 1989 beschlossene internationale Rechtsakt zwar seit 1992 von Österreich ratifiziert, Verfassungsrang genießt er nicht. Stattdessen werden etwa im Fall von Bleiberechtsverfahren die weniger kinderzentrierten Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention angewandt (siehe Wissen).

Zudem, sagte Landau, müsse "ein neues Fremdenrecht" her. Das derzeit geltende mache es möglich, "dass kleine Kinder von der Mutter getrennt, von Polizisten aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und mit ihrem Vater in ein Land gebracht werden, das niemals ihre Heimat war". (Irene Brickner, Saskia Jungnikl/DER STANDARD, Printausgabe, 15. Oktober 2010)