Nanokleine Tropfen auf dem heißen Stein der Öffentlichkeit: Ein Projekt untersucht, wie Österreich zur Nanotechnologie steht.

Foto: BASF

Sie untersucht, was es mit dem Nano-Boom auf sich hat.

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Nie mehr putzen. Essen, was man will, und trotzdem nicht dick und krank werden. Noch leistungsstärkere Computer. Keine Angst mehr vor Alzheimer, Parkinson oder Krebs, weil es hochwirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt. Es ist eine herrliche Zukunft, an deren Schwelle wir zu stehen scheinen. Und als Schlüssel dazu wird uns die Nanotechnologie präsentiert, die Effekte allerkleinster Strukturen im Bereich von Milliardstel Metern nutzt.

Beachtliche 3,5 Milliarden Euro stellt die EU im 7. Forschungsrahmenprogramm dafür zur Verfügung, Österreich hat in der seit 2004 laufenden Nanoinitiative 68 Millionen Euro bereitgestellt. Aber auch die Risiken, die mit dieser Technologie verbunden sein könnten, werden berücksichtigt: Immerhin hat das Verkehrsministerium über eine Million Euro in das Projekt Nanotrust investiert, um mögliche Gesundheits- und Umweltauswirkungen der Nanotechnologie zu erheben.

Wo solche Summen fließen, wächst bei den offiziellen Stellen offenbar auch die Befürchtung, dass größere Teile der Bevölkerung diese Technologie trotz aller Kontrollmechanismen letztlich doch ablehnen könnten - wie einst die Atomkraft. "Aus dieser Angst heraus wurden im österreichischen Nanoaktionsplan auch explizit Maßnahmen gefordert, um einer möglichen breiten Verurteilung von Nanoforschung frühzeitig entgegenzuwirken", sagt die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt.

Angst vor Technikfeinden

In ihrer vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Untersuchung beschäftigt sie sich mit der Frage, wie sich Österreich hinsichtlich Nanotechnologie positioniert - und zwar auf der Ebene der Bürger, der Forscher und der Politik. "Dabei fällt auf, dass der öffentliche Diskurs in diesem Forschungsfeld hierzulande vor allem in Form von PR stattfindet", sagt Felt. "Eine kritische Auseinandersetzung gibt es kaum." Eine Ursache dafür sei die in den Politikerköpfen noch immer fest verankerte Vorstellung vom technikfeindlichen Österreicher, dessen irrationalen Ängsten man nur durch gezielte Beschwichtigung entgegenwirken könne.

Ein falscher Ansatz, ist die Wissenschafterin überzeugt: "In Österreich wurden nur ganz wenige Technologien jemals abgelehnt." Konkret sind das die Atomkraft und die landwirtschaftliche Gentechnologie. Dabei handelt es sich um Innovationen, die stark mit Umwelt und Ernährung verbunden sind - mit Bereichen also, die unmittelbar die Identitätsvorstellung von Österreich betreffen.

Bei der Gentechnik habe sich außerdem gezeigt, dass die Ablehnung durchaus differenziert ist: Sie bezieht sich ausschließlich auf die "grüne" Gentechnik. Weitgehend akzeptiert wird die "rote" Gentechnik mit ihren Anwendungen in Medizin und Pharmazeutik. Zudem habe die Absage an die Kernenergie Raum für andere innovative Technologien im nachhaltigen Energiesektor freigemacht, mit denen Österreich mittlerweile international sehr erfolgreich ist.

Vermarktung und Fiktion

Die Nanoforschung - ein äußerst breites Feld. Vieles, das mit diesem Etikett versehen wird, hat man schon vor dem großen Nano-Boom erforscht. "Darin zeigt sich, wie hier Politik gemacht wird: Man kreiert eine Marke für die Öffentlichkeit", sagt Ulrike Felt. "Das hilft bei der Vermarktung, kann aber auch nach hinten losgehen." Die vielen Zukunftsversprechen, die sich um die Nanoforschung ranken, seien zudem auch ein Produkt der Forschungsförderung: "Wer Geld beantragt, muss quasi eine Zukunftsvision zu seinem Projekt dazu erfinden", weiß Felt aus zahlreichen Gesprächen mit österreichischen Nanoforschern. "Für viele ist das reine Fiktion, kaum jemand denkt breiter darüber nach. Aber dieser Diskurs der ewigen Versprechen kann auf Dauer nicht funktionieren."

Was wäre eine sinnvolle Alternative? "Damit Innovationen nicht nur von industriell-technologisch interessierten Lobbys getragen werden, muss die Haltung verschiedener Bevölkerungssegmente stärker berücksichtigt werden", ist Ulrike Felt überzeugt. Also permanente Volksabstimmungen? "Da gibt es bessere Möglichkeiten. Wie etwa bestehende EU-Programme, durch die gezielt NGOs in die Innovationsarbeit einbezogen werden." (Doris Griesser /DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2010)