Wer umfassend "niederlegt" , findet vor Justitia künftig Gnade: Die neue Kronzeugenregelung verspricht Straffreiheit und soll helfen, bisher unentdeckte Straftaten aufdecken.

Foto: DER STANDARD/Fischer

Wien - "Wer das Lied der Wahrheit singt, geht frei" , erläuterte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner am Dienstag das, was im Ministerrat als neue "Kronzeugenregelung" beschlossen wurde.

Hintergrund der neuen Regelung: Im Wettbewerbs- und Kartellrecht können ohne Kronzeugen fast gar keine Delikte aufgedeckt werden: In diesem Bereich werden rund 90 Prozent aller Verstöße durch sangeswillige Zeugen aufgedeckt. Ein großes Hemmnis dabei: Die Kronzeugen konnten bisher nur kartellrechtlichen Schutz erwarten; strafrechtlich konnte mit voller Härte gegen sie vorgegangen werden. Genau das wird nun geändert.

Die neue Kronzeugenregelung wird nun zur Aufklärung schwerwiegender Taten eingesetzt: Straftaten mit einer Strafdrohung über fünf Jahren - sowie in Korruptions- und Wirtschaftsfällen und um führend Beteiligte einer kriminellen Struktur auszuforschen.

In diesen Fällen muss ein Kronzeuge aber trotz seiner Kooperation eine Geldbuße, gemeinnützige Leistungen oder Probezeit zu leisten - aber eben keine Freiheitsstrafe. Ausgeschlossen sind Sexualdelikte und Straftaten mit Todesfolge. Der Kronzeuge muss aber auch über eigene Taten umfassend auspacken, voll kooperieren und vor allem wahrheitsgemäß aussagen. Inkrafttreten soll die neue Kronzeugenregelung per 1. Jänner 2011. Sie ist auf sechs Jahre befristet und soll dann evaluiert werden.

Große Korruptions-Einheit

Eine weitere Maßnahme, die in Richtung Wirtschaftskriminalität gesetzt wird, verbirgt sich unter dem sperrigen Titel "Kompetenzpaket" ; jenes wurde ebenfalls am Dienstag im Ministerrat abgesegnet. Wobei dieses Paket gegenüber dem ersten Entwurf noch einmal aufgeschnürt und neu gefüllt wurde: Die vier geplanten "Wirtschaftskompetenzzentren" der Staatsanwaltschaft in Wien, Graz, Linz und Innsbruck werden doch nicht eingerichtet. Stattdessen wird die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft personell mächtig aufgestockt, erläuterte Bandion-Ortner.

Statt derzeit sieben sollen künftig 37 bis 40 Staatsanwälte und zumindest sieben Experten bei dieser Einheit Dienst tun. Denn während des Begutachtungsverfahrens habe sich gezeigt, dass es "Abgrenzungsprobleme" zwischen Wirtschaftskriminalität und Korruption gebe.

Daher werde man nun beide Themenkreise in einer Einheit bündeln. Dazu soll die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft ab Juni 2011 zu einer "zentralen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität" ausgebaut werden.

Geleitet wird die Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit von Walter Geyer. Eine Neuausschreibung sei laut Bandion-Ortner nicht nötig. Sie rechnet mit rund 500 großen Fällen, die die neue Einheit pro Jahr zu bearbeiten haben wird. Kleinere Verfahren würden weiter von normalen Staatsanwaltschaften geführt. (frei, DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2010)