Ein Bild, das im Theatermuseum hängt, aber einiges mit der Zukunft von Edita Gruberová zu tun hat: Sie wird als Elisabeth in Donizettis "Roberto Devereux" an die Staatsoper zurückkehren.

Foto: Theatermuseum

Bleibt in Wien präsent: Edita Gruberová.

Foto: Theatermuseum

Wien - In jener fernen Zeit, als der Eiserne Vorhang quasi noch unverrückbar zwischen Ost und West stand, damals, erinnert sich Edita Gruberová, hatte sie als 22-Jährige an einem kleine Theater Verdis Violetta Valéry erstmals gesungen und hatte dabei ziemlich Glück. "Das war in Banská Brystrica, ich sang auf Slowakisch, und glücklicherweise war das Theater sehr klein, es gab auch nur sechs erste Geigen. Ich hatte ja keine Ahnung, was diese Traviata-Rolle der Stimme eigentlich antun kann - es war halt alles noch sehr unbeschwert."

Irgendwann, jedenfalls rechtzeitig, muss Gruberová (Jahrgang 1946) allerdings klar geworden sein, wie man mit den Ressourcen jenes Instrumentes, das man in sich trägt, sinnvoll umzugehen hat. Anders wäre ja auch schwer erklärbar, dass sie, die nun seit Februar auf 40 Jahre Bühnenerfahrung an der Wiener Staatsoper zurückblickt, vor allem Belcanto-Partien nach wie vor gehaltvollen Glanz verleihen kann.

Bezüglich der Traviata, die im Dezember im Wiener Musikverein konzertant gegeben wird, plagt sie denn auch vor allem die Frage, wie eine Violetta "im Abendkleid glaubhaft sterben soll. Keine Ahnung. Da muss sozusagen etwas aus dem Inneren heraus entstehen." Letztlich, in Ermangelung szenischer Mittel, wird es dabei andererseits doch nicht auf das Kleid, vielmehr auf den adäquaten Tonfall, auf die Färbung der Töne ankommen, wenn man der tragischen Geschichte Unmittelbarkeit verleihen soll.

Hilfreich sei in solchen Situationen grundsätzlich, so Gruberová, "das Reservoire an Emotionen, das sich so im Laufe eines Lebens ansammelt. All die Erinnerungen, Erfahrungen, die in einem sind, gilt es zu aktivieren. Ich habe ja die Traviata auch mit Dirigent Carlos Kleiber gemacht. Diese Erinnerungen helfen mir nach wie vor. Er hat mir beigebracht, dass Gesang nur ein Nebenprodukt einer Operngesamtheit ist. "

Insofern erfüllt dann auch jene Ausstellung, die ihr nun im Theatermuseum gewidmet ist, nicht nur für Opernfreaks, sondern auch für Gruberová womöglich einen kleinen Erinnerungszweck. In zwei atmosphärisch starken Räumen blickt man in Form von Kostümen, Opernausschnitten, Plattencovern, Urkunden, Orden und Fotos auf Gruberovás 40 Jahre Staatsopernerfahrungen zurück (Ausstellungskurator: Peter Dusek).

Ausstellung für die Diva

Eine umfassende Ausstellung hätte natürlich auch die politisch-historischen Aspekte dieser glanzvollen Karriere, die in Wien in den frühen 1970ern begann, thematisiert: Dies ist es nicht geworden, doch ihr Reiz besteht darin, dass Gruberová für sie ihr privates Archiv geöffnet hat. Sie kam ja aus Bratislava, es gab damals noch die ÈSSR und bisweilen seltsame Situationen.

"Es war nicht leicht, ich glaube, ich bin rechtzeitig von dort verschwunden. Wie meine Freunde mir erzählt haben, muss es in den 1970ern grauenvoll gewesen sein. Natürlich, ich bin 1970 weg, und ich musste nicht durch die Donau schwimmen, ich musste mich auch nicht in einem Kofferraum verstecken, um über die Grenze zu kommen - ich hatte einen Dienstpass. Dennoch brauchte ich immer auch ein Ausreisevisum, den man bei der Polizei erhielt. Und dort saßen richtige Tyrannen."

Eine Zeitlang ist sie dann also gependelt, "aber das wurde unerträglich. Dieses Ausreisevisum hat man ja nur für eine Wochen bekommen. So musste ich immer samstags von Wien nach Hause gefahren. Am Montag jedoch konnte ich nicht um zehn Uhr zurück zu der Probe. Irgendwann ging das nicht mehr, und so bin ich halt nicht mehr zurückgekommen." Bis das bemerkt wurde, dauerte es: "Natürlich hatte ich einer staatlichen slowakischen Künstleragentur von meinen Engagements im Westen Provisionen abgeben müssen. Irgendwann müssen sie wohl bei der Buchhaltung bemerkt haben, dass ihnen die Prozente von meinen Gagen fehlen. Sie haben sich dann erkundigt, was los ist, haben gedroht. Aber ich ging nicht zurück. Wobei: Es war ein großer Schritt, ich wusste, die Tür ist jetzt verschlossen, es gibt kein Zurück."

Der Fall der Mauer

Als dann viel später die Mauer fiel, war Gruberová schon ein Weltstar. Sie weilte gerade in New York, und was sie an Bildern im TV sah, erfüllte sie nicht mit besonderer Freude. "Da sah man im TV, was sich an der Mauer alles tat. Ich konnte es eigentlich nicht glauben. Als es dann tatsächlich zum Mauerfall und zur Öffnung kam, habe ich es mit der Angst zu tun bekommen - ich war sicher, jetzt kämen wieder die Panzer, und es würde Blut fließen. Wir haben ja das Ende des Prager Frühlings erlebt. Ich war also zunächst gar nicht euphorisch, ich war voller Angst." Ja, Angst. Gibt es eine solche im Zusammenhang mit der Bühne? "Es gibt Anspannung, und die ist mit den Jahren größer geworden, ich weiß nicht, warum. Man kann sich dagegen nicht wehren, der Tag vor einer Aufführung ist unerträglich, man will zu Hause bleiben und fernsehen. Wir Sänger brauchen offenbar das Adrenalin." (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Printausgabe, 13.10. 2010)