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Straßenverkehr in São Paulo: Urbanisierung fördert bekanntermaßen den CO2-Ausstoß.

Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

Wien - Die Bilder gleichen sich immer mehr. Ob im Großraum Wien, in New York, Schanghai, São Paulo oder Lagos: überall Kraftwerke, vollgestopfte Autobahnen und, vor allem in den sogenannten Schwellenstaaten, rauchende Fabrikschlote. Der Mensch verbraucht täglich unzählige Tonnen fossile Brennstoffe. Die Folgen sind bekannt. CO2 und andere Treibhausgase lösen eine globale Klimaerwärmung aus oder verstärken sie zumindest.

Wie sehr die Durchschnittstemperaturen in den kommenden Jahrzehnten allerdings steigen werden, ist nach wie vor Gegenstand von Expertendebatten. Die Erhitzung der Atmosphäre wird wesentlich davon abhängen, wie viel Kohlendioxid die Menschheit zukünftig hineinpumpt. Und das lässt sich nur schwer vorhersagen. Szenarien des Weltklimaforums IPCC zum Beispiel prognostizieren jährliche Kohlenstoff-Emissionen (überwiegend in Form von CO2) von bis zu 30 Gigatonnen im Jahr 2100.

Relevante Landnutzung

Bisherige Berechnungen berücksichtigen diverse, für die Produktion von Treibhausgasen relevante Entwicklungen wie Landnutzung und Industrialisierung, doch ein Gebiet wurde dabei kaum berücksichtigt: die demografischen Faktoren. Die Weltbevölkerung wird sich im laufenden Jahrhundert vor allem hinsichtlich ihrer Struktur stark verändern. Mit großen regionalen Unterschieden und erheblichen Auswirkungen auf die Klimaerwärmung, schreibt ein Forscherteam in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS.

Die Gruppe, zu der auch Wissenschafter des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg gehören, hat das wirtschaftswissenschaftliche PET-Modell für ökonomische Entwicklung und Energieverbrauch mit mehreren Prognosen zur demografischen Entwicklung kombiniert und dabei einen bemerkenswerten Effekt beobachtet. Ein gebremstes Wachstum der Weltbevölkerung alleine könnte bis zu 29 Prozent der bis 2050 als notwendig erachteten Verringerung der Treibhausgas-Emissionen bewirken.

Überalterung ist ein zusätzlicher demografischer Trend. Betroffen sind nicht nur hochentwickelte Regionen wie Europa oder Nordamerika, sondern zukünftig auch China, Indien und sogar Afrika. "Dort wird das Altern der Bevölkerung vermutlich zwar langsamer und später stattfinden, aber es wird dennoch passieren, infolge sinkender Geburtenraten und steigender Lebenserwartung", erklärt Studienleiter Brian O'Neill vom National Center for Atmospheric Research in Boulder im US-Bundesstaat Colorado gegenüber dem STANDARD. Die Folge der Vergreisung: Immer weniger Menschen nehmen an wirtschaftlichen Produktionsprozessen teil, der Energieverbrauch sinkt. Und somit der CO2-Ausstoß.

Selbstverständlich ist die Gesamtrechnung wesentlich komplizierter. Urbanisierung zum Beispiel treibt Kohlendioxid-Emissionen vielerorts in die Höhe, steigender Wohlstand und verändertes Konsumverhalten ebenfalls. Insgesamt sagt das Modell von O'Neill und Kollegen im Vergleich zum Jahr 2000 auch weiterhin eine höhere CO2-Produktion vorher. Keine Entwarnung also. Dennoch ist das Senkungspotenzial von großer Bedeutung, sagt O'Neill. "Wir zeigen, dass langsameres Bevölkerungswachstum zwar nicht der Hauptweg zu den angestrebten Verringerungen von Treibhausgas-Emissionen ist, aber es kann einen Beitrag leisten." (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2010)