Wie oft man aufgehalten wird, lässt sich für manche schwer beeinflussen: Roma und Menschen mit schwarzer Hautfarbe sind in einigen Ländern stärker von Polizeikontrollen betroffen

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Die Polizei behandelt nicht alle Menschen gleich streng. Wer „anders" aussieht, ist in einigen Ländern stärker von Polizeikontrollen betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung der EU-Grundrechtsagentur, die in mehreren EU-Staaten durchgeführt wurde.
Menschen unterschiedlich zu behandeln, ist PolizistInnen nicht grundsätzlich verboten. Sollten sie ihr Verhalten jedoch nicht den jeweiligen Umständen anpassen, sondern der Hautfarbe, Religion oder Herkunft der „beamtshandelten" Person, dann ist dies widerrechtlich. Diese Praxis wird im Fachjargon „Ethnic Profiling" genannt. Sie ist in der EU weiter verbreitet, als manche annehmen möchten.

Öfter kontrolliert

Die Zahlen sind zum Teil alarmierend: 42 Prozent der Franzosen/Französinnen mit nordafrikanischen Wurzeln wurden in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal von der Polizei kontrolliert - im Gegensatz zu 22 Prozent der französischen Mehrheitsbevölkerung.

In Griechenland wurden 56 Prozent der Roma mindestens einmal kontrolliert, während dies nur 23 Prozent der Mehrheitsbevölkerung von sich behaupten konnten. 15 Prozent der GriechInnen geben an, sie hätten bei einer Verkehrskontrolle im letzten Jahr einen Alkohol- oder Drogentest machen müssen - bei den griechischen Roma waren es 41 Prozent. 75 Prozent der türkischstämmigen Befragten in Deutschland gaben an, sie seien bei der letzten Polizeikontrolle nach ihrem Personalausweis gefragt worden - doch nur 43 Prozent der Mehrheitsbevölkerung mussten sich ausweisen.

Hautfarbe beeinflusst

Allgemein gilt: Ethnic Profiling hat weniger etwas mit Herkunft zu tun, als mit Aussehensmerkmalen. Jene Gruppen, die besonders stark von diskriminierenden Polizeikontrollen betroffen sind, haben gemeinsam, dass ihre Hautfarbe dunkler ist als jene der Durchschnittsbevölkerung, also meist Menschen mit afrikanischen oder afroamerikanischen Wurzeln, oder aber Roma. 

Länder-Unterschiede

Bei den befragten Roma zeigten sich auffallend große Unterschiede von Land zu Land: So waren 56 Prozent der griechischen Roma im vergangenen Jahr von Polizeikontrollen betroffen, wobei jedeR von ihnen im Schnitt 5,8 Mal kontrolliert wurde. Nur 17 Prozent meinten, die Kontrollen hätten nichts damit zu tun, dass sie Roma seien. Dagegen äußerten nur fünf Prozent der rumänischen und zwei Prozent der bulgarischen Roma die Vermutung, sie seien aufgrund ihrer Minderheiten-Zugehörigkeit angehalten worden.

Der FRA-Bericht führt dies jedoch nicht darauf zurück, dass Roma in diesen Ländern besser integriert wären - im Gegenteil: Die starke Segregation der Roma in Rumänien und Bulgarien sei verantwortlich dafür, dass sie weniger Berührungspunkte mit der Mehrheitsgesellschaft - und somit auch mit PolizeibeamtInnen - hätten, meinen die Studien-AutorInnen. Ein anderes Bild zeigt sich in Ungarn: Hier gaben 41 Prozent der befragten Roma an, in den vergangenen 12 Jahren kontrolliert worden zu sein - gegenüber 15 Prozent der ungarischen Mehrheitsbevölkerung.

Für alle untersuchten Länder gilt: Drei Mal pro Jahr oder öfter von der Polizei angehalten zu werden, ist statistisch gesehen ein reines Minderheitenphänomen. Nirgends sind Angehörige der Mehrheitsbevölkerung derart häufig von Kontrollen betroffen. Griechische Roma werden im Schnitt sogar 5,8 Mal jährlich kontrolliert, Angehörige der griechischen Mehrheitsbevölkerung hingegen 1,8 Mal pro Jahr.

Wenig Vertrauen in Polizei

Diskriminierendes Verhalten von PolizeibeamtInnen in Kauf zu nehmen, könne „nachteilige soziale Wirkungen" haben, warnt Morten Kjaerum von der EU-Grundrechteagentur (FRA): Es sei erwiesen, dass solche Erfahrungen das Vertrauen von Minderheiten in die Polizei untergraben. Dies wiederum wirke sich negativ auf das gesellschaftliche Zusammenleben aus.

Kein einziges EU-Land außer Großbritannien hat bislang wirksame Maßnahmen ergriffen, um Ethnic Profiling zu begegnen: Nur im Vereinten Königreich wird gezielt erhoben, wie der Umgang der Polizei mit Minderheiten in der Praxis aussieht. Die übrigen Staaten tappen diesbezüglich weiterhin im Dunklen. Die Grundrechtsagentur bemängelt dies: Nur, wer wisse, wo Diskriminierung vorkomme, könne sie wirksam bekämpfen. (mas, derStandard.at, 11.10.2010)