Thiemo Strutzenberger

Foto: Alexi Pelekanos / Schauspielhaus

Der Theaterbesuch beginnt als Wandertag. Aus dem Schauspielhaus wird das Publikum auf die Straße und so ins Nachbarhaus gelotst, das sich für die österreichische Erstaufführung von PeterLichts "Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends" in ein winziges Kellerloch verwandelt hat (Bühne: Gudarz Moradi). Als Sitzgelegenheit dienen Bierkästen, die Wände sind kahl. Über dem bereits wartenden Schauspieler Thiemo Strutzenberger baumelt eine nackte Glühbirne. Seine Bühne ist eine Holzpalette, hinter ihm eine Wand von weiteren Getränkekästen. Die Markennamen der Getränke sind fast vollständig abgeklebt, nur wenige Buchstaben sichtbar. "PeterLicht" ist darauf zu lesen, wenn man den Blick über die Kastenwand schweifen lässt.

Es ist das Pseudonym eines Künstlers, der die Anonymität zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Sein versponnener Popsong Sonnendeck war 2000 ein kleiner Hit, seitdem folgten vier Alben und mehrere Texte, jedoch kein Foto- oder Filmmaterial, das das Gesicht des Urhebers zeigen würde. Auch als er 2007 um den Bachmann-Preis las, ließ er sich nur von hinten filmen. Dennoch brachte ihm sein Beitrag den 3sat- wie auch den Publikumspreis ein.

Eben diesen Monolog einer Selbstvergewisserung im Angesicht der täglichen Apokalypse verlegt Regisseurin Katharina Schwarz nun in den Keller. Zögerlich beginnt Strutzenberger zu erzählen: Es ging ihm gut, er hatte Geld, die Sonne schien ihm und er hatte helle Gedanken. Doch langsam tastet er sich mit betulichen Relativierungen an eine ganz andere Wahrheit heran. Tatsächlich lag er "wie ein gestrandeter Erdteil auf dem Weltmeer" seines Minusgeldes, und wo er sich eben noch die Sonne herbeiredete, wütete wenige Sätze später der Monsun vielleicht doch eher tendenziell immer.

Das ist gewitzt und sorgt für ein ständiges Schmunzeln der kauernden Zuhörer. Der Text amüsiert, auch wenn er bei der Beschreibung der durch undefinierte Vergeltungsschläge verwüsteten Wohnung ("als würde man mit Gewalt ein Pferd auf links drehen") verharrt. Eine Übertragung in realistische Alltagsszenarien kann durch die ständige Selbstsabotage nicht stattfinden, vielmehr bleibt es bei einer bildreichen Vermittlung von Emotionen, die "vielleicht ein bisschen unokay" sind. Leider berühren diese bei all der Cleverness nicht wirklich. (wall / DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.10.2010)