Die Herzchirurgen Nikolaos Bonaros (l.) und Thomas Schachner geben ihre Kenntnisse in Roboter-Operationstechnik regelmäßig an Kollegen in aller Welt weiter.

Foto: Bonaros/Univ. Klinik Innsbruck

Nikolaos Bonaros an der Konsole.

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"Wir klären darüber auf, dass dieser Roboter nicht selbständig arbeiten kann, dass er keine Bewegung ohne den Chirurgen ausführen kann." (Bonaros)

Im Bild Dominik Wiedemann während einer Operation.

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2001: Mit Hilfe eines ferngesteuerten Roboters entfernt ein Chirurg in New York einer 68-jährigen Patientin in Straßburg die Gallenblase.

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Lindbergh-Operation 2001: Während der Chirurg in New York an den Schalthebeln sitzt, wird einer Patientin in Straßburg die Gallenblase entfernt. Ein Beispiel für die grenzüberschreitenden Einsatzmöglichkeiten des Operationsroboters. Das Herzchirurgen-Team an der Universitätsklinik Innsbruck bedient sich der Roboter-Operationstechnik seit 2001 und verfügt heute mit mehr als 200 Eingriffen über die weltweit höchste Erfahrung in der totalendoskopischen Bypassoperation am still gelegten Herzen.

"Teleroboter" oder "Telemanipulator"

"Derzeit verwenden wir die zweite Generation des da Vinci-Roboters. 2009 ist die vierte Generation auf den Markt gekommen und das Gerät ist bereits beantragt", erzählt Nikolaos Bonaros, Herzchirurg an der Universitätsklinik Innsbruck und seit 2001 im da Vinci-Team tätig. Da da Vinci kein automatisch agierendes System ist, handelt es sich nicht um einen Roboter im üblichen Sinn, sondern um einen "Teleroboter" oder "Telemanipulator". Es bedarf stets eines Chirurgen, der die Instrumente bedient. Das Fabrikat aus den USA kommt in Innsbruck interdisziplinär in der Herzchirurgie, Gynäkologie, Urologie und allgemeinen Chirurgie zum Einsatz.

Steuerkonsole und 3D-Kamera

"Bei Operationen mit dem Roboter sitzt der Chirurg rund drei Meter vom Patienten entfernt hinter einer Steuerkonsole", schildert Bonaros. An den vier Roboterarmen sind die Instrumente und die Kamera montiert. "Mittels Joysticks bewegt der Chirurg die Roboterinstrumente, die über kleine Portlöcher - das sind rund ein Zentimeter kleine Schnitte - in den Körper des Patienten eingebracht werden. Gleichzeitig steuert er mit den Füßen eine 3D-Kamera, die ein hochqualitatives bis zehnfach vergrößertes Bild des Operationsfeldes liefert." Das gesamte Operationsteam kann den Eingriff über Monitore mit verfolgen.

Die Roboterhand kann nicht fühlen

Anders als in der herkömmlichen Endoskopie arbeitet der Telemanipulator wie eine menschliche Hand. Die beiden miniaturisierten Instrumentenarme ermöglichen präzises und ruhiges Arbeiten. Unerwünschte Bewegungen, wie Zittern, werden elektronisch gefiltert. "Die menschliche Hand kann fühlen, die Roboterhand dagegen nicht. Was der Chirurg an der Konsole fühlt, ist der Widerstand - etwa von Knochen - aber nicht die Beschaffenheit der Oberfläche", erzählt Bonaros über seine Erfahrungen. Dieses Feedback erhält man durch die Visualisierung. Im Gegensatz zur Endoskopie erlaubt der Roboter ein dreidimensionales Bild. So erkennt der Chirurg am Steuerpult, ob ein Gefäß flexibel oder starr ist.

Schnellere Genesung

In der konventionellen Herzchirurgie wird das Brustbein durchtrennt oder die Rippen aufgedehnt. Mit dem OP-Roboter sind dagegen nur drei kleine Einschnitte für das Einführen der Instrumente und der 3D-Kamera erforderlich. Dass den Patienten dadurch ein rund 20 Zentimeter langer Schnitt erspart werden kann, hat nicht nur kosmetische Vorteile. Der Heilungsprozess verläuft schneller und schmerzloser. Auch der postoperative Blutverlust ist geringer. Die bessere Wundheilung ermöglicht die rasche Wiederkehr ins Alltagsleben. In einer aktuellen Studie legen die drei Innsbrucker Herzchirurgen Nikolaos Bonaros, Thomas Schachner und Dominik Wiedemann folgende Fakten vor: Bei der Roboteroperation beträgt die Zeit der Rekonvaleszenz nur ein Drittel im Vergleich zu einer herkömmlichen Operation. Ein Patient bereits nach 16 Tagen wieder Autofahren, während konventionell operierte Patienten 35 Tage warten müssen. Haushaltsarbeiten sind nach 18 Tagen wieder möglich und Sport nach nur einem Monat.

Nicht jeder ist geeignet

Nach dem Prinzip der freien Arztwahl kann zwar jeder Patient an der Universitätsklinik mit dem Telemanipulator operiert werden, allerdings gibt es gesundheitliche Einschränkungen. So dürfen etwa keine ausgeprägten Gefäßprobleme vorliegen. "Die Tendenz der behandelbaren Patienten ist aber im Steigen begriffen", spricht Bonaros von knapp 20 Prozent. "Mittlerweile können wir diese Operation auch mit einer Stent-Operation kombinieren." Der heutige Erfahrungsstand erlaubt die sichere Durchführung der Operationen auch an Patienten mit mehreren Risikofaktoren, wie etwa schlechter Herzpumpleistung, verengten Hals- oder Beckengefäßen, eingeschränkter Lungen- oder Nierenfunktion. Patienten mit koronaren Mehrgefäßerkrankungen können ohne Brustkorberöffnung behandelt werden und auch zweifache Bypassoperationen wurden bereits mit dem da Vinci-System durchgeführt.

Längere Operationsdauer

Zwei Jahre lang ist Bonaros auf da Vinci eingeschult worden: "Etwa 50 Einsätze braucht es, bis eine gewisse Routine entsteht und man die Mehrheit der Probleme bewältigen kann." 70 Operationen pro Jahr werden an der Universitätsklink Innsbruck durchgeführt, die Tendenz ist steigend. Einen Nachteil hat die Behandlung durch den Roboter allerdings: Sie dauert länger als eine konventionelle Operation. Bonaros: "Bei einer OP am offenen Brustkorb verlangt der Chirurg ein Instrument und innerhalb von ein paar Sekunden kann er es verwenden." Bei der endoskopischen Vorgehensweise muss er das Instrument vorsichtig durch die minimale Öffnung entfernen und ein neues einführen. So dauert eine konventionelle Bypass-Operation rund zweieinhalb, eine Roboteroperation dagegen dreieinhalb Stunden.

Angst vor dem Roboter?

Ob die Betroffenen Angst hätten, von einem Roboter operiert zu werden? "Zehn bis 15 Prozent der Patienten sind skeptisch, wenn sie den Begriff Roboter hören", weiß Bonaros. "Wir klären darüber auf, dass dieser Roboter nicht selbständig arbeiten kann, dass er keine Bewegung ohne den Chirurgen ausführen kann." Nach dem Gespräch liege die Akzeptanz bei 97 Prozent. Dem gegenüber stehen 92 Prozent bei konventionellen Operationen. "Natürlich kann es auch zu Software-Abstürzen kommen", berichtet Bonaros. Zwei Mal in 450 Fällen sei das vorgekommen. "Ein Mal konnten wir es managen, das zweite Mal mussten wir auf eine konventionelle Operation umsteigen." Für diese Notmaßnahme muss jeder Patient vor dem Eingriff seine schriftliche Einwilligung geben. (tin, derStandard.at, 12.10.2010)