Wien/Kolontar - Der Giftschlamm-Unfall in Ungarn ist laut WWF schlimmer als die Cyanid-Katastrophe von Baia Mare (Rumänien) im Jahr 2000. Damals trat das kontaminierte Wasser aus dem Sammelbecken einer Gold-Aufbereitungsanlage aus. Der mit Schwermetallen versetzte Cyanid-Schlamm gelangte über in die Theiß in die Donau - ein gigantisches Fischsterben war die Folge. "Wir sind aber sicher, dass sich der rote Schlamm bis in nahe gelegene Natura 2000-Europaschutzgebiete ergießen wird. Die Naturschäden werden demnach auch von internationaler Bedeutung sein", sagte Gabor Figeczky vom WWF Ungarn am Donnerstag.

Cyanid und Schwermetalle haben unterschiedliche Wirkungen. Cyanid vernichtet alle Lebewesen, mit denen es in Kontakt gerät, sofort, und zieht anschließend zusammen mit der Flut weiter, hieß es in einer Aussendung. Die Schwermetalle hingegen werden vom Boden und von den Pflanzen aufgenommen, weshalb ihre Wirkung längere Zeit nachweisbar bleibt. Die Folgen sind jedoch nicht weniger schwerwiegend als jene von Cyanid: "Schwermetalle können noch jahrzehntelang im Boden bleiben und auf Menschen und Tiere so schwerwiegende Folgen wie Wachstums- und Fortpflanzungsstörungen haben", erklärte Figeczky.

Daher sei auch der Schwermetallgehalt der aktuellen Katastrophe eine Schlüsselfrage: Im Jahr 2000 starben an bzw. in der Theiß alle Wasserlebewesen außer den Wirbellosen völlig aus. Fischotter und Vögel konnten sich noch rechtzeitig vor den Fluten in Sicherheit bringen. "Der Großteil der von der Katastrophe betroffenen Wasserlebewesen wird die Verschmutzung voraussichtlich nicht überleben", befürchtet Figeczky.

Zwar würden die einzelnen Arten später zurückkehren bzw. die verbleibenden Populationen das Gebiet wieder bevölkern. Allerdings können selbst Fachleute vorerst nicht abschätzen, wie viel Zeit das in Anspruch nehmen wird. Derzeit wird an mehreren Stellen Gips in den Marcal-Fluss geschüttet. "Nach Meinung einiger Fachleute ist die Wirkung dieser Maßnahme allerdings zu hinterfragen", so Figeczky.

Auch jene Substanz, die die Lauge neutralisieren soll, kann für Pflanzen und Tiere giftig sein. "Einige Arten sind sofort nach dem Kontakt mit der Substanz verendet. Bei anderen muss mit Vergiftungen und der Anhäufung von Schwermetallen gerechnet werden", erklärte Figeczky. Es werden zudem laufend Haustiere eingesammelt. "Die rot gefärbten Tiere haben opal-artige Augen. Sie werden in Scheibtruhen transportiert, weil sie sich aufgrund ihrer Verletzungen nicht mehr selbst fortbewegen können." Die Situation der Nutztiere ist nicht besser. "Die Schäden in der wildlebenden Fauna können wir derzeit noch nicht einmal schätzen." (APA)