Teheran - "Was macht glücklicher: Wissen oder Geld?" So lautet die Themenstellung schlechthin für Aufsätze an iranischen Schulen. Sie ist so alt, dass iranische Schüler anstelle von Klassenkameraden, von den im Keller aufbewahrten Heften ihrer Eltern abschreiben können. Es scheint, als ob bewusst schon in Kinderjahren auf die essenziellsten Voraussetzungen für die höhere Bildung hingewiesen würde: Für die Aufnahme braucht man Wissen. Klappt es mit diesem nicht, dann Geld.

Prestige durch staatliche Unis

Der Iran hat mehr als 400 Universitäten: Neben großen Universitäten mit Standorten im ganzen Land wie auch im Ausland, etwa die Universitäten Azad Eslami oder Payame Nour, vergeben auch kleinere Institute für höhere Bildung Abschlüsse. Dabei lassen sie sich alle entweder als staatlich oder privat kategorisieren. Doch im Iran ist es ein wenig anders mit dem Prestige: Staatliche Universitäten werden als die besten angesehen, wie zum Beispiel die 1934 gegründete Universität Teheran. Wer an einer privaten Uni studiert, hat sicher ein schlechtes Ergebnis bei der Konkur erzielt und musste mit Geld nachhelfen, lautet die iranische Vermutung.

So unberührt von ausländischen Einflüssen, wie sich der Iran heute zeigt, war er augenscheinlich nie. Das iranische Universitätssystem fungiert hier als Beispiel: Aus dem amerikanischen System übernommene akademische Grade und französische Einstufungstests ("Konkur" ist nur das persische Lehnwort für die französische Bezeichnung "Concours") bestimmen das Gesamtbild. Im iranischen System gibt es vier akademische Grade: Der nach zwei Jahren abschließbare Associate Degree (persisch: "Kardani"), sowie die hierzulande bekannten Bachelor, Master und Doktor. Nach Abschluss jeder Stufe muss erneut eine Aufnahmeprüfung abgelegt werden, der Andrang ebbt nicht wie in Österreich nach dem Bachelor ab.

"Jeder Zweite Ingenieur"

Nach offiziellen Angaben waren im vorigen Jahr 2.089.283 Studierende an iranischen Unis inskribiert. Zuständig für die Hochschulbildung sind das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Innovation - sowie eigens für das Studium der Medizin das Gesundheitsministerium. Nicht grundlos hilft hier das Gesundheitsministerium aus: zum einen aufgrund des Know-hows und der Nahebeziehung, zum anderen zur Entlastung. Denn im Iran sind zwei Studien besonders beliebt: Medizin und Ingenieurswesen.

Trotz unzähliger Hürden schließt jedes Jahr eine dem Arbeitsmarkt nicht entsprechende Zahl an Studenten ihr Studium ab, die Jobsuche ist hoffnungslos. Grund für ein Phänomen, das man als iranische Eigenheit bezeichnen kann: Absolventen, die einen zu ihrer Studienrichtung passenden Job finden, sind eine Minderheit. In iranischen Architekturbüros sitzen Agrikultur-Experten, das Teheraner Taxi lenkt ein frischgebackener Literaturwissenschafter. "Kein Wunder", attestiert eine iranische Studentin. Obwohl sie schon im zweiten Studienjahr ist und alles bestens läuft, hat sie Angst davor, in einigen Jahren als Ingenieurin keinen Job zu finden. "Hier bei uns kann sich jeder Zweite Ingenieur nennen." (smf, DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2010)