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Durch Kauf von Zertifikaten waschen viele Versorger "schmutzigen" Strom rein. Zu diesem Schluss kommt die Umweltorganisation Greenpeace, die sich die Angaben der Versorger näher angesehen hat. Diese dementieren.

Wien – Aus Österreichs Steckdosen kommt mehr Atomstrom als gemeinhin vermutet wird. Das deshalb, weil viele Energieversorger auf Stromimporte angewiesen sind, um ihre Kunden mit elektrischer Energie zu versorgen. Da Strom kein Mascherl hat, gelangt auf dem Importweg auch Kernenergie nach Österreich. Das wird von den Versorgern auch nicht bestritten. Die Umweltorganisation Greenpeace vermutet aber, dass weit mehr Atomstrom in Österreichs Leitungen fließt als von den Versorgern ausgewiesen wird.

"Da ist Etikettenschwindel in großem Stil im Gang", sagte der Energiespezialist von Greenpeace, Jurrien Westerhof, dem Standard. Berechnungen zufolge stammten im Durchschnitt etwa 14 Prozent des in Österreich verbrauchten Stroms aus ausländischen Kernkraftwerken, 39 Prozent aus fossilen Quellen (Kohle, Gas), knapp 47 Prozent aus erneuerbaren Quellen (siehe Grafik).

In der Regulierungsbehörde E-Control geht man davon aus, dass etwa sechs Prozent des in Österreich in öffentliche Netze eingespeisten Stroms aus ausländischen AKWs stammt. Abgeleitet wird das vom Strommix im europäischen Netzverbund UCTE. Als Faustregel gelte, dass knapp ein Drittel davon auf Atomstrom entfällt, sagte Christian Schönbauer von der E-Control. Damit kann auf die Atomstromanteile der einzelnen Unternehmen geschlossen werden, sofern diese konventionellen, nichtzertifizierten Strom importieren.

Zertifikatehandel

Gewisse Zertifikate sind Greenpeace und Konsumentenschützern ein Dorn im Auge – nicht nur in Österreich. Greenpeace ist bei den Berechnungen davon ausgegangen, dass der nicht deklarierte Anteil der Strombezüge über Börsen oder kurzfristige Lieferverträge bezogen wird und dass die Herkunft des Stroms nicht bekannt ist. Für diesen nicht deklarierten Anteil wurde der europäische Durchschnittsstrommix (UCTE) herangezogen. Dabei zeige sich, dass alle neun Landesenergieversorger Atomstrom in ihrem Strommix haben – variierend von rund acht Prozent bei Wienstrom bis 28 Prozent bei der steirischen Energiegesellschaft Steweag-Steg. "Letzteres Unternehmen wollte überhaupt keine Angaben zur Herkunft des Stroms machen, deshalb haben wir die gesamte Stromaufbringung als UTCE-Mix unterstellt", sagte Westerhof.

Dass die diversen Unternehmen bei der Stromkennzeichnung null Atomenergie ausweisen, habe mit einem legalen, wenn auch fragwürdigen Trick zu tun. "Ein Stromversorger kauft zum Beispiel beim tschechischen Temelín-Betreiber ÈEZ eine bestimmte Menge Strom. Gleichzeitig besorgt er sich etwa bei einem schwedischen Kraftwerksbetreiber billige Wasserkraftzertifikate – und zwar genauso viel, wie er braucht, um die Menge tschechischen Atomstroms zu Wasserkraft umetikettieren zu können", sagte Westerhof. Tatsächlich werde kein Strom in Schweden gekauft, sondern nur das Zertifikat (siehe Wissen). Damit könne man Kunden weismachen, dass sie mit sauberem Strom beliefert werden.

Schlupflöcher schließen

"Für die EVN kann ich ausschließen, dass wir das machen", sagte ein Unternehmenssprecher. "Wir haben keine RECS-Zertifikate (Renewable Energy Certificate System; Anm.) gekauft und haben auch seit Jahren keinen Atomstrom im Portfolio. Es gibt aber Schlupflöcher in Österreich, die sollte man schließen."

Der Kärntner Energieversorger Kelag ist neben der Tiroler Tiwag der einzige, der von sich aus Atomstrom ausweist. "Wir haben den UCTE-Mix angeführt, weil wir nicht den gesamten Strom, den wir benötigen, selbst erzeugen können", sagte Vorstand Hermann Egger. "An RECS nehmen wir nicht teil, weil wir dafür nicht zertifiziert sind." (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.10.2010)