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Ungarn besitzt kein solch dichtes Netz an Freiwilligen Feuerwehren, wie es Österreich hat.

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Landesfeuerwehrkommandant Alois Kögl würde "seine Hand ins Feuer legen", dass ein Unglück, wie es in Ungarn passiert, in Österreich nahezu unmöglich ist.

Foto: Landesfeuerwehrkommando Burgenland

Ein 500 Mann starker Aufräumtrupp arbeitet in Ungarn an den Aufräumarbeiten der Giftschlammkatastrophe. Das Ausmaß der Folgeschäden ist noch nicht ersichtlich. Alois Kögl, Landesfeuerwehrkommandant des Burgenlands, kennt die ungarischen Feuerwehren durch grenzübergreifende Projekte und wäre sofort einsatzbereit, wenn Nachbarschaftshilfe gefordert würde.

derStandard.at: Kann man tatsächlich einer solchen Katastrophe, wie sie gerade in Ungarn passiert, vorbeugen?

Alois Kögl: Nicht wirklich. Man kann nur hoffen, dass so etwas nicht geschieht. Wie man aber erfahren hat, hat es Missstände bei den Sicherheitsvorkehrungen in dem betroffenen Betrieb gegeben. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass so etwas in Österreich nahezu nicht möglich ist. Bei uns herrschen viel härtere Auflagen und Kontrollen. Aber wir haben bei dem verheerenden Hochwasser im Kamptal 2002 gesehen, dass man mitunter solchen Dingen hilflos gegenübersteht.

derStandard.at: Gibt es erste Maßnahmen, die die Zivilbevölkerung treffen kann, wenn gefährliche Chemikalien freigesetzt werden?

Kögl: Vor solchen Dingen kann man sich nicht hundertprozentig schützen. Man muss versuchen, Kleidung und vor allem Schuhe bzw. Handschuhe zu finden, die vor der Chemikalie schützen und dann so schnell wie möglich sein Hab und Gut zusammenpacken. Dann flüchtet man am besten ein paar hundert Kilometer weit weg. Das größte Problem dürfte aber vor allem die Viehwirtschaft sein. Wie sollte man einen ganzen Bauernhof umsiedeln? Die Tiere bleiben den Chemikalien ausgesetzt und das bedeutet sicher auch langfristige Probleme.

derStandard.at: Das Burgenländische Landesfeuerwehrkommando arbeitet immer wieder grenzüberschreitend mit den ungarischen Kollegen zusammen. Wie ist ihr Eindruck? Sind die Einsatzkräfte in Ungarn für solch eine Katastrophe gut genug ausgebildet?

Kögl: Es gibt in Ungarn verschiedene Ausbildungsniveaus im Feuerwehrwesen. Auf der einen Seite die Berufsfeuerwehren, die einen sehr guten Wissensstand haben. Dadurch, dass Ungarn schon vor dem EU-Beitritt Förderungen für die Feuerwehren erhalten haben, besitzen sie auch 240 moderne Einsatzfahrzeuge. Das Problem ist hier aber der Personalstand. Wo in Ungarn auf ein Gebiet etwa 60 Berufsfeuerwehrleute kommen, haben wir im Burgenland 1.800 Feuerwehrmänner. Es gibt aber auch noch die Freiwilligen Feuerwehren, die in Ungarn nur 40 Stunden Ausbildung haben und bei weitem nicht so ein dichtes Netz wie wir in Österreich besitzen und auch nicht moderne Fahrzeuge besitzen.

derStandard.at: Sollten die ungarischen Einsatzkräfte nun Hilfe benötigen, wie würde das Landesfeuerwehrkommando reagieren und wie könnte tatsächlich geholfen werden?

Kögl: Zurzeit sieht es ja zum Glück so aus, als würden es die ungarischen Einsatzkräfte selbst schaffen wollen und können. Aber wenn es eine Anforderung gäbe, dann würden wir natürlich nach Ungarn fahren. Zuerst würden wir Chemiker in das Gebiet schicken, um Messungen vorzunehmen. Anschließend kämen dann Funktionäre und andere Experten von uns, die einen Lokalaugenschein vornehmen und mögliche Leistungen abstecken. Wir würden Straßen und Wohnungen säubern, also schlicht und ergreifend Manpower stellen. Wiesen und Felder könnten wir wahrscheinlich nicht reinigen.

derStandard.at: Woran scheitert das?

Kögl: Man müsste das gesamte Erdreich abtragen oder mit anderen Chemikalien arbeiten und bei solch einer großen Fläche wäre das ein Ding der Unmöglichkeit. Nach dem Tschernobyl-Unglück konnte man ja auch nicht von ganz Europa eine Schicht entfernen. (Bianca Blei, derStandard.at, 6. 10. 2010)